Enno Seifried zu "Vergessen im Harz 2"

Enno Seifried. Foto: Anne Schädel

Langjährige Fans der Dokumentationen des Leipziger Filmemachers Enno Seifried haben gespannt auf eine Fortsetzung von "Vergessen im Harz" gewartet, die beim Premierenwochenede im Mai 2015 bereits versprochen wurde. Jetzt ist es amtlich, heute ist die Crowdfunding-Kampagne zu "Vergessen im Harz II" gestartet. Mit dieser möchten Seifried und sein Filmteam wieder die Finanzierung der Filmpremiere gewährleisten und hoffen auf breite Unterstützung der Crowd. 8.000 Euro möchte man über die Plattform VisionBakery einsammeln, um am 20. Mai an einem besonderen Ort Premiere zu feiern. Wir haben nachgefragt ...

rottenplaces: Wo findet die Premiere des zweiten Teils statt und warum fiel die Wahl gerade auf diese Location?

Seifried: Die Filmpremiere von „Vergessen im Harz II“ wird im ehemaligen „Hotel Zehnpfund“ in Thale stattfinden. Wir haben wieder lange gesucht, um eine passende Location zu finden. Das ehemalige Hotel hat einen großen Saal, der noch sehr gut erhalten und optisch eine Augenweite ist. Nachdem wir letztes Jahr in der Baumannshöhle waren, wollten wir in diesem Jahr mal wieder den zum Film passenden morbiden Charme zur Premiere genießen.

rottenplaces: Wie könnt ihr die örtlichen Begebenheiten am Premieren-Wochenende vor Ort nutzen? Setzt ihr auf das altbewährte Konzept oder gibt es Neuerungen?

Seifried: Im Prinzip ist es das altbewährte Konzept. Diesmal haben wir natürlich wieder einiges an Mehraufwand und Mehrkosten, da es natürlich um einiges anspruchsvoller ist ein eigentlich leer stehendes Gebäude für eine öffentliche Veranstaltung mit 280 zu nutzen als einen etablierten Veranstaltungsort wie die Baumannshöhle. Es gibt keinen Strom, kein Wasser. All das muss für die Veranstaltung irgendwie geklärt werden und natürlich sind in so einem Fall auch eine Menge Genehmigungen, Versicherungen und Ähnliches vonnöten.

rottenplaces: Ihr setzt ja für die Finanzierung des zweiten Harz-Teils wieder auf das Crowdfunding. Je mehr Teile ihr produziert, desto schneller hatten sich diese finanziert und das gleich mehrfach. Rechnet ihr dieses Mal mit einer ähnlichen Bereitschaft der Crowd?

Seifried: Wie bei allen anderen Projekten auch, wollen wir auch diesmal nicht den Film an sich über Crowdfunding finanzieren, sondern nur die Veröffentlichung des Films und das Premierenwochenende. Da fallen wieder einige Tausend Euro an, die ich privat nicht tragen kann. Die Kosten für die Filmproduktion habe ich wieder ohne Fördermittel oder Sponsoren privat bzw. von dem Geld finanziert, dass durch vorangegangene Projekte oder durch meine sonstige alltägliche Arbeit erwirtschaftet wurde.

Auch ist die angegebene Summe der verschiedenen Crowdfundingaktionen in den letzten Jahren nicht die tatsächlich benötigte Summe. Ich setze das allerdings lieber etwas niedriger an und würde bei einem knapp erreichten Crowdfundingziel versuchen den benötigten Restbetrag an anderer Stelle zu besorgen, in der Hoffnung ihn später refinanzieren zu können. Bei meinem ersten Crowdfundingprojekt im Jahr 2012 zum Beispiel hatte ich 6000 Euro als Ziel angegeben. Erreicht hat die Aktion das Doppelte und das hat noch nicht mal gereicht, um alle anfallenden Kosten zu decken.

Das Premierenwochenende im ehemaligen „Hotel Zehnpfund“ in diesem Jahr wird ungefähr vergleichbar sein, mit dem Aufwand und den Kosten im Jahr 2012 im ehemaligen „Sowjetischen Pavillon“. Wobei diesmal natürlich noch Verpflegungsmehraufwand, Übernachtung für die Crew und Fahrtkosten dazu kommen.

Aber von all dem abgesehen, ist es natürlich ein berauschendes Gefühl, wenn man mehrere Jahre in ein Projekt steckt und damit auf derart positive Resonanz stößt, wie das gerade bei „Vergessen im Harz“ Teil 1 der Fall war. Das war schon der Wahnsinn. Für dieses Feedback bin ich den Unterstützern meiner Projekte auch unheimlich dankbar. Ich bin gespannt, wie die Reaktion auf „Vergessen im Harz II“ aussehen wird. Ich rechne da wirklich mit gar nichts. Ich weiß einfach nicht, wovon der Erfolg letzten Endes wirklich abhängig ist, und kann mich nur überraschen lassen.

rottenplaces: Als langjährigen Partner für eure Crowdfunding-Kampagnen nutzt ihr VisionBakery. Aufgrund des Erfolges in den vergangenen Jahren, wurdet ihr auch von anderen Plattformen angesprochen, bzw. umworben um evtl. zu wechseln?

Seifried: Nein. Ein Wechsel zu einer anderen Plattform kommt für mich auch nicht in Frage. I love the VisionBakery (lacht).

rottenplaces: Für den ersten Teil „Vergessen im Harz“ wart ihr zwei Jahre in der Harzregion unterwegs. Habt ihr für den neuen Teil wieder dort gedreht oder hattet ihr ausreichendes Material?

Seifried: Einiges für den zweiten Teil konnten wir schon bei den Dreharbeiten zum ersten Teil mit abdrehen, aber ein Großteil wurde erst im letzten Jahr gedreht. Der zweite Teil wird ja auch gleichzeitig der letzte Film über die Harzregion sein. Eigentlich würde der Harz jedoch noch eine Menge weitere Geschichten preisgeben. Aber man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist.

rottenplaces: Euer Filmteam ist an vielen Orten lange abseits der Touristenpfade unterwegs gewesen. Gab es auch einmal Momente, an denen die Kamera spontan beiseitegelegt wurde und ihr einfach nur die Schönheit des Harzes genießen konntet?

Seifried: Die Schönheit des Harzes wird natürlich mit jedem Atemzug vor Ort genossen und auf der ein oder anderen Wanderung wird dann auch mal entspannt und durchgeatmet. Der Harz ist wirklich eine großartige und vor allem an den meisten Ecken eine nicht zu überlaufene Region.

rottenplaces: Hat sich die Reaktion und Bereitschaft der Harzbewohner nach eurem ersten Teil verändert, wenn ihr beispielsweise Zeitzeugen oder unmittelbare Nachbarn der ausgewählten Objekte kontaktiert habt?

Seifried: Nein, die Harzer sind nach wie vor sehr aufgeschlossen und hilfsbereit, wenn es um unser Filmprojekt geht. Da hat sich nichts verändert. Natürlich trifft man hin und wieder auch mal nen mürrischen Typen, aber die gibt es überall.

rottenplaces: Auf welche Geschichten hinter vergessenen Mauern dürfen sich die Zuschauer schon jetzt freuen?

Seifried: Es sind auf jeden Fall spannende und auch einige lustige Geschichten dabei. Allerdings geht es diesmal auch richtig an die Nieren, wenn zum Beispiel ein ehemaliger Napolaschüler von der Zeit als Eliteschüler im Dritten Reich berichtet, während die Bilder des verfallenen Ausbildungslagers über die Leinwand laufen. Ansonsten halten wir das wie jedes Jahr. Wir werden vorher nicht verraten, was im Film alles vorkommen und passieren wird. Diejenigen die das interessiert, sind herzlich eingeladen es selber herauszufinden, indem sie sich den Film anschauen.

rottenplaces: Gibt es Neuigkeiten rund um das Filmteam, vielleicht ein Neumitglied, oder setzt ihr weiter auf „Never change a winning team“?

Seifried: Never change a winning team! Das geilste Filmteam der Welt 🙂

rottenplaces: Ihr habt „Vergessen im Harz“ wie auch eure anderen Leipzig-Dokumentationen nach den Premierenwochenenden in diversen kleinen Kinos zeigen können. Selbiges ist bestimmt auch für den neuen Teil in Planung. Habt ihr einmal über Vorführungen bei entsprechenden Film- oder Festivalevents nachgedacht oder beispielsweise über andere reichweitenstarke Vorführer?

Seifried: Auf dem einen oder anderen Festival lief der Film bereits und „Vergessen im Harz I“ steht sogar heute noch auf dem Spielplan in verschiedene Kinos in Hannover und Northeim. Der Film wird also offensichtlich in der Region gut angenommen. Auch der neue Film soll natürlich in die Kinos kommen, um dort sein Publikum zu finden. Aber auf Festivals mit Wettbewerbscharakter wird der Film nicht laufen. Ich wüsste nicht, inwieweit wir uns da messen könnten, aber ich finde ohnehin, dass der Wettbewerbsgedanke bei Dokumentarfilmen fehl am Platz ist. Da sollte etwas anderes im Vordergrund stehen. An einen Fremdverleiher denke ich auch nicht. Ich werde sehen, was sich nach dem Filmstart bietet und werde mir natürlich Mühe geben, den Film an möglichst vielen Stellen unterzubringen.

rottenplaces: Wenn du einmal rund ein Jahr zurückblickst seit der Premiere im Mai 2015, wie war die Resonanz auf „Vergessen im Harz“ im Allgemeinen und haben sich seitdem evtl. besondere oder spannende neue Kontakte ergeben?

Seifried: Nun ja, die spannendsten Kontakte sind tatsächlich die mit den Interviewpartnern des Films an sich. Zwischen den Filmen, die wir in Leipzig gedreht haben und denen im Harz gibt es aber in Bezug auf das Feedback wirklich einen großen Unterschied. Eigentlich schade, dass ich das über meine Heimatstadt sagen muss, aber das Harzer Publikum ist weitaus interessierter an der Geschichte ihrer Region und reagiert auch mehr auf den Film mit Mails oder Einträgen im Gästebuch unserer Filmwebsite. Ich glaube die Verbundenheit zur Heimat und die Mund-zu-Mund-Propaganda ist der eher ländlichen Region deutlich ausgeprägter, womit natürlich auch das Interesse an dem Film einhergeht.

Aber trotzdem soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass sich auch im letzten Jahr viele Leipziger aufgemacht haben, um die Premiere in der Baumannshöhle zu besuchen. Und ich denke - und freue mich darauf - auch in diesem Jahr sicher das ein oder andere vertraute Gesicht aus der Heimat zu sehen.

Wir danken Enno Seifried für das Interview.
Das Interview führte André Winternitz.