Verl (aw). Geht es um den Denkmalschutz, stecken kleine Städte und Gemeinden gerne den Kopf in den Sand. Mit dem Verweis auf leere Kassen, ungeklärte und nicht ermittelbare Eigentumsverhältnisse, verfallen jene erhaltenswerten Gebäude in vielen Fällen, trotz Eintragung in entsprechende Register. Ein solcher Fall ist seit Jahren in Verl (Kreis Gütersloh) zu beobachten. Hier ist das vor über 350 Jahren erbaute Fachwerkhaus an der Paderborner Straße 394 im Verler Ortsteil Kaunitz - unmittelbar neben der Ostwestfalenhalle, kollabiert und kann abgerissen werden.
Die Schande: Das Gebäude ist in der Denkmalliste der Stadt als "Zweiständer-Fachwerkbau mit Ausfachungen aus Lehmstakung und -putz mit Satteldach" eingetragen und trägt die Nummer 60 in selbiger. Am 12. Dezember 1995 wurde das heute ruinöse und nicht mehr zu rettende alte Haus in die Liste der schützenswerten Gebäude aufgenommen. Bereits im Jahr 2010 stand das Gebäude auf wackeligen Fachwerkbeinen - es bestand akute Einsturzgefahr. Nur die Baumgruppen rings um das Grundstück bedeckten den "Ort der Schande". Im Juni desselben Jahres fand eine Ortsbegehung statt, schon hier hätte das Ergebnis lauten sollen: akuter Handlungsbedarf.
Was die Stadt Verl zum "weggucken" animiert hat, ist unklar. Fakt ist, im Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (DSchG NRW) heißt es unter § 7, "Erhaltung von Denkmälern", Absatz 1, Zitat: Die Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten haben ihre Denkmäler instand zu halten, instand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen, soweit ihnen das zumutbar ist. Für die Zumutbarkeit ist auch zu berücksichtigen, inwieweit Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln oder steuerliche Vorteile in Anspruch genommen werden können. Die Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten können sich nicht auf Belastungen durch erhöhte Erhaltungskosten berufen, die dadurch verursacht worden sind, dass Erhaltungsmaßnahmen diesem Gesetz oder sonstigem öffentlichen Recht zuwider unterblieben sind.
Jetzt möchte die Stadt die "kollabierte Substanz" abreißen lassen. Wie die Neue Westfälische am 31. Januar 2016 berichtete, begründet die Stadtverwaltung in einer Beratungsvorlage für den Fachausschuss die denkmalrechtliche Erlaubnis für den Abriss als "nicht mehr erhaltungsfähig". Für einige Lokalpolitiker - unter anderem Dr. Egbert Daum (Bündnis 90/Die Grünen) ein grob fahrlässiges Verhalten seitens der Verantwortlichen. Auch die Untere Denkmalbehörde hatte nichts unternommen, als bei der Ortsbegehung in 2010 der schlimme Zustand des Denkmals bekannt wurde.
Die Stadt äußert sich bis heute nicht zu den Versäumnissen. Auf Anfrage der Neuen Westfälischen, ob oder inwieweit ein Neubau an selber Stelle genehmigungspflichtig wäre, verweist die Stadt auf mögliche, einzelne Anträge, über dessen Prüfung im Einzelfall entschieden werden müsste.