Hamm (lwl/aw). Eigentlich hatten die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) keine Hoffnung, auf der Fläche des geplanten Schulneubaus in der Innenstadt von Hamm archäologische Relikte zu finden. Umso größer war nun die Überraschung, als dort nicht nur mehrere Brunnen sondern auch zwei Kloaken ans Tageslicht kamen. Die noch immer übel riechenden Hinterlassenschaften in den Aborten geben Einblicke in die Speisezettel früherer Generationen.
Da, wo bald der Neubau einer Schule stehen soll, gab es offenbar auch in den zurückliegenden Jahrhunderten ein reges Alltagsleben: Auf gerade einmal 800 Quadratmetern fanden Heimatforscher Günter Wiesendahl und die LWL-Archäologen insgesamt sieben Brunnen. "Noch ist unklar, warum sich so viele davon auf einer so kleinen Fläche drängen", sagt LWL-Archäologin Dr. Eva Cichy. Weitere Untersuchungen wie etwa Analysen von Moos, das zur Abdichtung benutzt wurde, sollen nun das Alter der Wasserreservoirs klären.
Nichts für Zartbesaitete ist der Fund von zwei Kloaken samt Inhalten: Den Archäologen boten sich zwischen den menschlichen Exkrementen Hinweise auf frühere Essgewohnheiten und ihre weniger appetitlichen Begleiterscheinungen. In den Verfüllungen lagen Keramikscherben aus dem Hochmittelalter und der Renaissance sowie Fragmente von Wein- und Biergefäßen. Ihr leibliches Wohl rundeten die Bewohner dieses Altstadtareals offenbar mit Austern und Kirschen ab - die Archäologen dokumentierten Muschelschalen und Kirschkerne. Dass die Obststeine in großen Mengen in den Exkrementen enthalten waren, lässt vermutten, dass die Kirschen samt Kernen verzehrt wurden. Zusammen mit den Austern dürfte das für Ungemach im Verdauungstrakt gesorgt haben. Die ebenfalls erhaltenen Überreste eines Arzneifläschchens in der Latrine deuten jedenfalls auf medizinische Probleme hin.
Um mehr über die Essgewohnheiten der gehobenen Hammer Bevölkerung im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit zu erfahren, haben die LWL-Archäologen Proben aus den Kloaken genommen. Die noch immer übel riechenden Exkremente sind jetzt im Labor für Archäobotanik der Universität Köln.