Zehdenick (pm/aw). Die Havelstadt Zehdenick diskutierte lange Jahre über die Weiterverwendung der sogenannten „Großen Halle“ auf dem neuen Festplatz der Stadt. Jetzt hat die Stadt eine Ausschreibung zum Verkauf der ehemaligen Werkhalle des Landbaubetriebs gestartet, die seit Anfang der 1990er Jahre leer steht. Zehdenick verfügt über eine langjährige Gewerbetradition. Insbesondere die Ziegelei-Produktion, der dafür erforderliche Tonabbau und die Flussschiffahrt auf der Havel sorgten im ausgehenden 19. Jahrhundert für eine wirtschaftliche Blütezeit und eine sprunghafte Stadtentwicklung, die sich bis heute im Stadtgrundriss und an historischer Bausubstanz ablesen lässt.
Nördlich des Altstadt um die Berliner Straße und den Marktplatz erstreckt sich die Zehdenicker Tonstichlandschaft, eine faszinierende Kulturlandschaft, die sich inzwischen zum wertvollen Naturraum entwickelt hat. Sie ist durchsäht von Resten ehemaliger Tonstiche und Ziegeleien. Das imposanteste Beispiel für die Blütezeit der Ziegelei-Industrie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ist wohl der Ziegeleipark Mildenberg auf der Westseite der Havel, der bis heute überaus anschaulich einen wesentlichen Abschnitt der märkischen Industrie- und Gewerbegeschichte und der damit verbundenen Traditionen aufzeigt.
Aber auch östlich der Havel in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum an der Schleuse Zehdenick befinden sich teils vergessene Ensembles der gewerblichen Baugeschichte wie die ehemalige Siegelkowsche Lederfabrik. Aus der DDR-Zeit hingegen stammt eine zeitgenössische Werkhalle der damaligen Landbaugemeinschaft auf dem Gelände des heutigen Festplatzes Zehdenick. Diese Anfang der 1970er Jahre errichtete Werkhalle steht nun zum Verkauf.
Schon lange hatten sich die Zehdenicker Bürger und die Stadtverordneten die Belebung der nördlichen Innenstadt und die Beseitigung von Leerstand und Brachen vorgenommen. Doch durch die Konzentration auf das historische Stadtzentrum und die hier bestehenden Fördermöglichkeiten blieb der unmittelbar zur Havel orientierte Stadtraum entlang der Schleusenstraße und der Philipp-Müller-Straße lange Jahr im Schatten. Ruinöse Bausubstanz und Verwahrlosung prägten das Bild, denn auch die Eigentumsverhältnisse blieben lange Zeit ungeklärt.
Als um die 2010er Jahre der Abschluss der Sanierung im Stadtzentrum absehbar wurde und das Land Brandenburg und der Bund neue Förderprogramme auflegte, verband Zehdenick den Wunsch nach einem zentralen Festplatz mit der Entwicklung brachliegender Gewerbeflächen an der Havel. Unter dem Stichwort „Das Gesicht zum Wasser drehen“ wurde ein Entwicklungskonzept beschlossen, dessen Kernstück die Entwicklung der brachliegenden Betriebsflächen des Landbaubetriebes zum kommunalen Festplatz einschließlich Öffnung des Stadtraums zum wertvollen Landschaftsraum der Havel umfasste.
Neben der Beräumung von Ruinen, Leerstand und Altlasten wurden im Zuge der Konzeptionierung die vorhandenen Gebäude auf ihre weitere Verwendung geprüft. Dabei stand eine kleinere Werkhalle mit Garagen von 1965 zunächst im Fokus, die als Funktionsgebäude für den Festplatz geeignet schien. Doch vor dem Hintergrund der größeren Hallenfläche und des prägnanten Erscheinungsbilds moderner Industrie-Architektur der DDR-Zeit entschied sich die Stadt, die so genannte „Große Halle“ zu erhalten und die Nutzung als Event- und Veranstaltungshalle für den Festplatz zu prüfen. Bis 2020 entstand mit dem neuen Festplatz der Stadt Zehdenick einen markantes Element in der Stadtlandschaft, das vielfältige Nutzungen mit hoher Aufenthalts-, Gestalt- und Erlebnisqualität verbindet.
Neben einem attraktiven Freiraumangebot umfasst der Festplatz Flächen für Freizeit, Spiel und Sport, einen Naturerlebnispfad entlang des Havelufers, eine kommunale Jugendfreizeiteinrichtung und ein umfangreiches Stellplatzangebot. Im Zuge der Projektentwicklung wurden verschiedene Entwicklungsperspektiven für die Wiederverwendung der Großen Halle auf dem Festplatz Zehdenick als kommunale Event- und Veranstaltungshalle untersucht. Das Gebäude wurde zwischenzeitlich gegen Verfall und Vandalismus gesichert.
Trotz vielfältiger Bemühungen für eine Sanierung und dauerhafte Nutzung konnte letztlich kein unter den kommunalen Rahmenbedingungen finanzierbares Nutzungskonzept identifiziert werden. Deshalb haben die Stadtverordneten beschlossen, das Objekt zum Verkauf anzubieten. Das Exposé mit allen relevanten Informationen ist auf der Internetseite der Stadt Zehdenick abzurufen.
Das Gebäude mit einer Nutzfläche von insgesamt 1.380 m², davon 650 m² Hallenfläche befindet sich in einem sanierungsbedürftigem Zustand. Das Grundstück hat eine Fläche von 1.584 m². Ein aktuelles Sachverständigengutachten weist einen Verkehrswert von 1,00 Euro aus. Das Gebäude bietet Freiraum für vielfältige Nutzung, kreative und modulartige Entwicklungen. Die Stadt Zehdenick ist für innovative Nutzungsansätze offen und bietet ernsthaften Interessenten eine kooperative Begleitung der Projektentwicklung an. Maßgeblicher Hinderungsgrund für die Bezuschlagung eines Angebots sind absehbare Nutzungskonflikte mit den benachbarten Siedlungsflächen. Vor dem Hintergrund der erheblichen Kosten für eine umfassende Gebäudesanierung und unter Berücksichtigung des einzureichenden Nutzungskonzepts ist auch ein Abbruch der Werkhalle und der Neubau am Standort möglich.
Die Stadt Zehdenick erwartet mit den im Exposé genannten Angebotsunterlagen eine Darstellung des Nutzungskonzepts. Der mit dem Kaufvertrag zu vereinbarende Umsetzungszeitraum soll drei Jahre betragen.
Angebote sind bis zum 31.10.2020, 12 Uhr, an die Stadt Zehdenick zu richten. Eine Entscheidung über die Veräußerung beschließt die Stadtverordnetenversammlung bis zum 31.12.2020.