Ehemalige Bärenquell-Brauerei wird modernes Stadtquartier

Bärenquell Brauerei. Foto: rottenplaces Archivfoto.

Berlin (aw). Der Komplex der ehemaligen Bärenquell-Brauerei entstand 1882 als Brauerei Borussia und wurde von Max Meinert und dem Braumeister Alex Kampshenkel gegründet. Bis zur Schließung 2008 wurde hier Biergeschichte geschrieben - zumindest was die eigenen Marken angeht. Dann folgten Leerstand, Verfall und Vandalismus. Viele ehrgeizige Projekte für das Areal zerschlugen sich oder waren nur oberflächliche Hirngespinnste. Vor einigen Jahren sollte auf dem Gelände ein Baumarkt eines namhaften Konzerns entstehen, viele unter Denkmalschutz stehende Brauereigebäude wären dafür abgerissen worden. In letzter Minute sprang dieser Baumarktkonzern ab, zum Glück, wie sich heute zeigt.

Nun möchte ein israelischer Investor aus dem Gebäudeensemble ein modernes Stadtquartier formen, plant eine Investitionssumme von etwa 250 Millionen Euro. Mit dem Projekt soll aus einer C-Lage eine A-Lage werden. Bürolofts, kleine Betriebe, Cafés, Clubs und Geschäfte - sogar Bärenquell-Pils soll im eigenen Biergarten wieder ausgeschenkt werden. Gebraut werden soll dieses natürlich auf dem Gelände. Erinnert wird an die lange Historie der Brauerei mit einem kleinen Museum. In der Mitte des Areals soll ein Stadtplatz zum Verweilen entstehen. Alte Mauern sollen auf moderne Neubauten treffen. Der Investor möchte die alten Mauern, Fliesen und gelungene Graffitis erhalten.

Um diese ehrgeizigen aber auch raffinierten Pläne zu verwirklichen hat sich der Investor Experten ins Boot geholt. Die deutsch-russischen Architekten Sergei Tchoban mit Kollegen, Architekt Jochen Klein und Barcode Architects aus den Niederlanden sollen das Vorhaben zügig in einen sicheren Hafen lotsen. Während der Architekt Klein das Sudhaus und Maschinenhaus entwickeln wird - hier soll später auf 5.000 Quadratmetern eine Universität einziehen, mit Hörsälen, Kantine und Bibliothek sowie Glasdach auf alten Gusseisenstützen - kümmert sich Barcode Architects um die ehemalige Flaschenabfüllanlage entlang der Spree. Das Architekturbüro Tchoban/Voss übernimmt Fassfabrik und Fassholzlager inklusive den alten Pferdestall. Dazwischen entstehen Neubauten, die sich kunstvoll aber nicht dominant in die Altsubstanz einpassen.

Bleibt zu hoffen, dass die Pläne zügig umgesetzt werden können. Geht es nach dem Investor, hätten die Baumaßnahmen bereits begonnen. Doch der Bezirk Treptow-Köpenick legt nahe, dass das Bauamt das Bebauungsplanverfahren abwarten soll, zumindest bei den Neubauten. Hier ist nun zwischen den Fronten Fingerspitzengefühl gefragt, ein Konflikt wäre hier nicht angebracht.

Historie

Nach dem Ende der DDR übernahm 1990 die Treuhandanstalt den Volkseigenen Betrieb und privatisierte ihn als Bärenquell Brauerei Berlin GmbH mit dem Produkt Bärenquell Berliner Pilsener Spezial. 1991 erwarb schließlich die hessische Henninger Bräu AG die Marke und führte die Produktion am Standort Niederschöneweide zunächst weiter fort. 1993 stellte noch die Henninger Bräu AG einen Bauantrag, für den einige historische Gebäude hätten weichen müssen, der vom Bezirksamt Treptow mit dem Verweis auf den Denkmalschutz abgelehnt wurde. Zum 1. April 1994 wurde schließlich die Bierproduktion ganz eingestellt. Lediglich der Vertrieb von Henninger blieb einige Jahre weiter am Standort. Die weitere Bierproduktion von Bärenquell erfolgte zunächst in Kassel, ersetzt wurde dabei im Untertitel Berliner Pilsener Spezial das Wort „Berliner“ durch „Original“.

Nachdem Henninger zunehmend in finanzielle Probleme geriet, letztlich auch selber von seinem hessischen Konkurrenten Binding-Brauerei übernommen wurde, verkaufte man die Rechte an Bärenquell an die Brauhaus Preußen Pils GmbH in Pritzwalk. Diese produzierte es dort als weitere Marke neben der Hausmarke Preußen Pils. Die Oettinger Brauerei kaufte 2006 die Preußen Pils GmbH und stellte Ende 2008 die Produktion in Pritzwalk ein, so dass seit 2009 kein Bier der Marke Bärenquell mehr produziert wird.

Als Architekten und Baumeister wirkten an der seit den 1980er Jahren, turmartigen denkmalgeschützten Anlage vor allem Robert Buntzel, Emil Holland und Hans Otto Obrikat. Ein Großteil der Gebäude auf dem Gelände stammt aus dieser Zeit, während von der eigentlichen Brauerei Borussia nur noch zwei Gebäude erhalten sind, das Beamtenwohnhaus (1882), einst Wohnsitz des Braumeisters und weiterer Bediensteter, und das Verwaltungsgebäude (1888), Sitz des Direktors.