Berlin (aw). Der Verband Deutscher Kunsthistoriker hat den Gasometer auf die Rote Liste bedrohter Denkmäler gesetzt, weil dem Industriedenkmal durch den geplanten Innenausbau Schaden droht. Nach der Änderung des Bebauungsplanentwurfs soll das im Gasometer geplante Bürogebäude noch höher gebaut werden dürfen. Damit besteht nach Angaben des Verbandes die Gefahr, dass ein bedeutender Industriebau des frühen 20. Jahrhunderts in seiner Wahrnehmung beeinträchtigt und die heute einzigartige Fernwirkung der bei ihrer Errichtung wegweisenden Eisenskelettkonstruktion des Gasbehälters im Stadtbild zerstört wird. Die EUREF AG argumentiert, dass man sich gerade durch den Einbau eines Gebäudes, welches dem früheren Telekopgasbehälter formal nachempfunden werden soll, an den ursprünglichen Zustand annähert und das Industriedenkmal durch seine wirtschaftliche Nutzung in seinem Bestand gesichert wird.
Wie der Verband in seinem Artikel mitteilt, steht dem entgegen, dass ein massiv gebautes, bis zum letzten Geschoss reichendes Bürogebäude nicht dem ursprünglich beweglichen Gasbehälter mit seinen veränderlichen Höhenständen entspricht. Der Streitpunkt ist nicht die innere Bebauung an sich, sondern deren Höhe. Durch die nunmehr angestrebte Erhöhung des Gebäudes wird der Charakter des Industriedenkmals stark beeinträchtigt, denn je mehr von dem denkmalgeschützten Trägergerüst zugebaut wird, umso weniger vermittelt sich noch von dessen ursprünglicher Funktion und bautechnischer Neuartigkeit. Auch wird die Fernwirkung des Stahlskelettbaus als Bestandteil der Berliner Stadtsilhouette, die in der Bewertung des Landesdenkmalamts als bedeutend herausgestellt wurde und die das Bauvorhaben von 2008 zumindest noch ansatzweise berücksichtigte, durch eine weitere Verminderung der freistehenden Gerüstteile infolge einer höheren inneren Bebauung gefährdet.
Die Bürgerinitiative „Gasometer retten“ sieht nach Angaben der Verfasserin des Rote-Liste-Eintrages, Carola Dittrich, die Gefahr, dass sämtliche von der Öffentlichkeit vorgebrachten Einwände, wie z. B. die Beeinträchtigung der Wohnqualität oder die Anliegen des Natur- und des Denkmalschutzes im Abwägungsverfahren des Bebauungsplanentwurfs zugunsten des höheren Gebäudes übergangen werden könnten. Der Beschluss des Bebauungsplans soll nach Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen voraussichtlich im Herbst 2021 erfolgen. Es gilt, den Gasometer in Schöneberg sowohl als Denkmal der Industrialisierung im frühen 20. Jahrhundert zu erhalten wie auch seiner spezifischen Form als freistehende Stahlskelettkonstruktion, die seit ihrer Errichtung als städtebaulich markant wahrgenommen wird, Rechnung zu tragen.
Der Verband Deutscher Kunsthistoriker ist ein Berufs- und Fachverband der Geisteswissenschaften, der mit der Roten Liste auf bedrohte Denkmäler aufmerksam macht. Hintergrund für die Aufnahme in die Rote Liste sind die Pläne des Gasometer-Eigentümers, das Industriedenkmal im Zuge der Sanierung innen höher bebauen zu wollen. Die gegründete Bürgerinitiative „Gasometer retten!“ hat eine Online-Petition gestartet. Diese unterstützen bisher bereits mehrere Tausend Menschen.