Berlin (pm/aw). Die Berliner Europacity hat ihr historisches Wahrzeichen zurück: Der markante Backsteinbau des 1897 errichteten Kornversuchsspeichers am Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal erstrahlt weithin sichtbar in neuem Glanz. Das höchst ungewöhnliche Gebäude mit seinen drei Bauteilen ist Teil von Wasserstadt Mitte, einem von der Adler Group realisierten neuen Wohnquartier mit über 500 Wohneinheiten am Wasser. Der Umbau und die Sanierung des Kornversuchsspeichers erfolgten nach Plänen von AFF Architekten, Spezialisten für historische Gebäude und mehrfach preisgekrönt. Die Taurecon realisierte das Projekt in Zusammenarbeit mit Heide Siegmund-Schultze für die Adler Group. Bereits vor Baubeginn wurde mit mehreren Ausstellungen und Veranstaltungen eine künstlerische Zwischennutzung des alten Speichers unterstützt.
Die Taurecon ist ebenso für die Entwicklung des westlich angrenzenden Quartier Heidestrasse mit fast 200.000 m² BGF Büro- und Gewerbeflächen sowie über 940 Mietwohnungen verantwortlich.
Verantwortungsvolle Sanierung für vielfältige Nutzung
In den Obergeschossen des nun fertiggestellten Gebäudes sind progressive offene Büroflächen entstanden, die sich für Co-Working, wie auch kreative Start-Ups oder moderne Büromieter eignen. Klinkerfelder des nördlichen Bauteils wurden partiell durch großformatige Fenster ersetzt und mehrere Balkone mit Blick Richtung Nordhafen vorgehängt, als Zeichen für die Umnutzung vom geschlossenen Lagergebäude zum offenen vielfältig nutzbaren Standort.
Das Erdgeschoss wurde als Ausstellungs- und Event-Location mit möglichem angebundenem Café und großer Terrasse entwickelt, und mit der geschaffenen Aufstockung durch ein monochromes Dachgeschoss mit Klinkerfassade und großflächigen, verschiebbaren Glaselementen stehen weitere rund 210 Quadratmeter beidseitig mit großen Dachterrassen für flexible Nutzungen bis hin zu Gastronomie zur Verfügung. Das Denkmalobjekt wurde entsprechend barrierefrei umgeplant und gestaltet, um die unterschiedlichen Anforderungen zukünftiger Nutzer zu erfüllen.
„Der Kornversuchsspeicher ist das einzige historische Gebäude in der nördlichen Europacity, das den Krieg überstanden hat und mit seiner imposanten siebenstöckigen Präsenz direkt am Kanal zweifellos ein echtes Wahrzeichen“, sagt Thomas Bergander, Gründer und Geschäftsführer der Taurecon. „Uns war von Anfang an klar, dass man mit einem solchen Gebäude und der dahinterstehenden Geschichte verantwortungsvoll umgehen muss.“
Stadtgeschichte erfahrbar machen
Neben der Errichtung des zusätzlichen Geschosses, war vor allem die statische Ertüchtigung dieses frühen Stahlbetongebäudes sehr aufwändig, da durch jahrelangen Leerstand die Bausubstanz stark geschädigt war. Eine umfassende Stahlbetonsanierung der Stützen, Decken und historischen Schütten erfolgte. Zwei Decken wurden abgerissen, neue Stahlgalerien eingebracht, um überhaupt nutzbare Geschosshöhen zu schaffen. Die Klinkerfassaden wurden klein- und großflächig ergänzt. Für neue Fensteröffnungen herausgenommene Steine wurden gesäubert und wiederverwendet. Im Inneren blieben die markanten Getreideschütten der Decken sichtbar, ebenso Unterzüge, raue historische Betonflächen, Abbruchkanten und Stahldetails. Das architektonische Konzept beinhaltete die historischen Elemente dieses robusten Industriebaus freizulegen bzw. zu erhalten und konsequent ebenso modern in hoher Qualität zu ergänzen. So bleibt die grundlegende Gestalt des Kornversuchsspeichers erhalten und als wichtiges Stück der Stadtgeschichte auch für künftige Generationen bei neuer Nutzung erfahrbar.
Der ursprüngliche Zweck des Gebäudes ist eng mit Berlins Weg zur Metropole verknüpft: Nachdem sich die Bevölkerung der Stadt in weniger als 100 Jahren fast verzehnfacht hatte, musste man Ende des 19. Jahrhunderts neue Wege gehen, um die Ernährung der Einwohner sicherzustellen. Dies führte zur Errichtung des Kornversuchsspeichers als Großstadtlabor und Testzentrum für neue Methoden der Lebensmittellagerung. „Wenn hier nun künftig junge, kreative Start-ups Lösungen für Probleme der Gegenwart finden, so erscheint mir das durchaus passend“, erklärt Tomas Bergander.