Hanau (pm/aw). „Jetzt wird deutlich, welche enormen Entwicklungschancen die Achse zwischen Hauptbahnhof und Kurt-Blaum-Platz hat.“ So kommentiert Oberbürgermeister Claus Kaminsky den neuen Sachstandsbericht zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach Baugesetzbuch, wie er jetzt Thema im Struktur- und Umweltausschuss war. Gemäß dieser Stadtverordnetenvorlage verlängert sich die notwendige vorbereitende Untersuchung bis Ende 2021. Mit ersten konkreten Planungen für ein „modernes zentrales Stadtentrée“, so Kaminsky, beschäftigte sich der Ausschuss bereits: ein neu entstehendes Quartier auf dem Gelände von Heraeus Quarzglas, von dort ein bis mindestens zur Daimlerstraße reichender Boulevard, ein Fahrrad- und drei Auto-Parkhäuser.
Heraeus und die Stadt Hanau hatten im Juli 2019 einen Kooperationsvertrag mit dem Titel „Urbaner Entwicklungspark Hauptbahnhof“ geschlossen. Seinerzeit versprach OB Kaminsky, dass sich das Rathaus bei der Bebauungsplanung für den Bereich nordöstlich des Hauptbahnhofs eng mit Heraeus abstimmen werde. In der digital stattgefundenen Ausschusssitzung sagte Felix Pfitzer als Geschäftsführer der Heraeus Site Operations GmbH & Co. KG jetzt: „Stadt und Heraeus arbeiten eng zusammen, damit das Quarzglas-Areal ein attraktives Bindeglied zwischen Innenstadt und Hauptbahnhof wird.“ Heraeus wird seine Produktion in der Quarzstraße bis spätestens Mitte 2023 verlagern. Somit steht das Areal für eine Nachnutzung zur Verfügung.
Der von Heraeus mit einem städtebaulichen Entwicklungskonzept beauftragte Dr. Michael Denkel, Prokurist bei Albert Speer und Partner, sagte im Ausschuss, die Entwicklung auf dem fünf Hektar großen Quarzglas-Areal könne eine „Initialzündung für das Gesamtkonzept“ zwischen Ehrensäule und B 43a werden. Nach seinen Worten strebt Heraeus an, einige Industriegebäude aus Backstein im Kern des Geländes zu erhalten. Um diese Gebäude herum soll die Autofreie Zone „Heraeus Plaza“ entstehen, die zum Verweilen einlädt. In alten und neuen Gebäuden seien „moderne Arbeitswelten“ in Büros und kleineren Gewerbeeinheiten denkbar. Neue Wohnbauten wären wegen des Seveso-Abstandsgebots nicht möglich. Auch zum Schutz gegen Bahnlärm sieht das Konzept ein Parkhaus an der Westspitze (Güterbahnhofstraße) vor. Die Verkehrserschließung soll auch weiterhin hauptsächlich von der Dettinger Straße her über die Quarzstraße erfolgen.
Von der Heraeus Plaza in Richtung Hauptbahnhof ist ein neuer städtischer Boulevard mit viel Grün geplant, mündend in die Boschstraße. Fuß- und Radverkehr soll Denkel zufolge Vorrang haben. Auf entsprechende Rückfragen aus Magistrat und Stadtverordnetenversammlung sagte er, vorhandene Wohngebäude an der Dettinger Straße und Am Hauptbahnhof würden mit den künftigen Nutzungen auf dem Quarzglas-Areal „behutsam zusammengenäht“.
Wo derzeit noch ein Parkplatz von Heraeus ist, entsteht zwischen Am Hauptbahnhof, Ottostraße und Industrieweg der städtische Teil des „Hauses rund um das Erwerbsleben“; die Agentur für Arbeit beginnt mit ihrem Neubau an der Boschstraße. Ein Haus südlich dieses Parkplatzes will die Stadt Hanau erwerben. Dies soll durch die Entwicklungsgesellschaft Bauprojekt Hanau geschehen, die von Aurelis/Deutsche Bahn über das Vorkaufsrecht bereits 16.000 Quadratmeter Fläche zwischen Hauptbahnhof und Daimlerstraße erworben hat.
Dort soll in Gleisnähe ein fünfgeschossiges Parkhaus mit 1000 Stellplätzen entstehen. Zudem ist im Übergang zum Bahnhofsvorplatz ein attraktiver Platz mit Gastronomie und neu gestaltetem Busbahnhof zu erwarten, ferner mit Park-and-Ride sowie Leihstationen für Autos und Fahrräder. Ein Parkhaus für 500 Velos direkt westlich vom Bahnhofshaupteingang sieht die Planung ebenso vor wie ein weiteres fünfgeschossiges Parkhaus für 1750 Auto-Abstellplätze auf der Südseite des Haupthofs (Röderseestraße).
In der Daimlerstraße ist noch nicht geklärt, ob die Hanauer Straßenbahn (HSB) und der städtische Eigenbetrieb Hanau Infrastruktur Service (HIS) mit ihrem Betriebshof und dem Verwaltungsgebäude dort bleiben oder 2021 ein neuer Standort gefunden wird. Falls HSB und HIS umsiedeln, soll das Gelände in den urbanen Gewerbepark im Nordosten des Hauptbahnhofs mit einbezogen werden. Falls nicht, sind schrittweise neue Hallen anstelle derzeit sanierungsbedürftiger zu bauen, der Betriebshof gegebenenfalls durch Geländeankauf auszudehnen und Teilnutzungen wie der Wertstoffhof auszugliedern. Wenn HIS und HSB am angestammten Platz bleiben, soll dieser durch ein markantes Verwaltungsgebäude an der Ecke zur Boschstraße den neuen Boulevard abschließen; so die Darstellung von Stadtplanerin Claudia Becker vom städtischerseits beauftragten Büro planquadrat.
An der B 43a eignet sich das an einen Entwickler verkaufte Rütgers-Areal laut Stadtplanungsamt für eine „robuste gewerbliche Nutzung“. Ein Bauantrag für mehrere multifunktional nutzbare Gewerbehallen ist in Arbeit.
Was den Hauptbahnhof angeht, weist das Amt darauf hin, dass dieser „wichtigste Ankunftsort“ Hanaus und „multimodale Umsteigepunkt“ wegen des ständigen Wachstums der Rhein-Main-Region und der Stadt Hanau an Bedeutung weiter gewinne. Die barrierefreie Modernisierung des Hauptbahnhofs hat bereits begonnen und wird wegen des Ausbaus von Bahnstrecken bis ins nächste Jahrzehnt andauern.
All die Planungen im städtebauliche Strukturkonzept soll der Magistrat laut Stadtverordnetenvorlage nun weiter vertiefen. Bis Ende 2021 sollen ein städtebauliches Konzept ausgearbeitet, Kostenaufwand und Finanzierungswege benannt sowie analysiert werden, wie sich die Planungen auf Immobilieneigentümer und -nutzende im Entwicklungsgebiet auswirkt.