Hanau (aw). „Ich möchte Sie bitten, sich jetzt nachdrücklich für die Experimentierklausel einzusetzen, da mir nach dem Schreiben des hessischen Wirtschaftsministers eine Bewältigung der Immissionskonflikte im Rahmen des geltenden Rechts jedenfalls nicht rechtssicher möglich erscheint.“ Mit einem weiteren Schreiben hat Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky die Bundesumweltministerin Svenja Schulze einmal mehr um Unterstützung in seinem Kampf um den Erhalt der Wohnhäuser auf dem früher von US-Militärs genutzten Areal Sportsfield Housing gebeten. „Ich werde nicht akzeptieren, dass wir zum Spielball in einer Auseinandersetzung um abweichende Auslegungen von unterschiedlichen Behörden werden, die sich wechselseitig die Verantwortlichkeiten zuschieben, ohne dass sich am Ende wirklich etwas bewegt,“ betont Hanaus OB, dass in Zeiten akuter Wohnungsnot alle gemeinsam an dem Ziel arbeiten müssen, das dauerhafte Wohnen dort möglich zu machen.
Auf dem Gelände der ehemaligen Sportsfield Housing Area im Hanauer Stadtteil Wolfgang stehen 22 guterhaltene Wohnblocks mit rund 400 Wohneinheiten, die jahrzehntelang als Unterkünfte für US-Soldaten und ihre Familien dienten. Derzeit werden sie teilweise als Flüchtlingsunterkünfte genutzt. Seit dem Abzug des US-Militärs kämpft die Stadt darum, die vorhandenen Wohnungen zu erhalten, um das an bezahlbarem Wohnraum in Hanau deutlich zu erhöhen. Doch dem stehen rechtliche Hindernisse entgegen, die mit der Nähe zum Industriebetrieb Goodyear Dunlop GmbH zu tun haben. Die Ausweisung eines Wohngebietes ist hier nach geltendem Baurechte derzeit nicht möglich, da es Lärm- und Geruchsimmissionen seitens des angrenzenden Betriebs geben könnte, die die zulässigen Werte überschreiten.
Das Bundesministerium hatte Hinweise gegeben, dass die immissionsschutzrechtlichen Konflikte im Plangebiet Sportsfield-Housing auch auf der geltenden Rechtsgrundlage zu lösen sind. Diese Auslegung hatte die Stadt an die für den Vollzug des Immissionsschutzrechts zuständigen hessischen Behörden, insbesondere das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, weitergeleitet und um eine nochmalige Überprüfung der Rechtslage gebeten.
Der hessische Minister Tarek Al-Wazir hat jedoch in seiner Antwort an der früheren Haltung festgehalten, wonach auch unter Berücksichtigung der vom Bundesumweltministerium aufgezeichneten Möglichkeiten zur Bildung von Zwischenwerten hinsichtlich der Lärmimmissionen die Grenze einer für gesunde Wohnverhältnisse noch tolerablen Belastung überschritten sei. Gleiches gelte für die Geruchsbelastung, die teilweise um mehr als das Dreifache über den Immissionswerten der GIRL liege und damit „außerhalb des bauplanungsrechtlichen Abwägungsspielraumes“.
Weiter erläutert der Hanauer OB, dass das Hessische Wirtschaftsministerium für das weitere Vorgehen dennoch zwei Ansatzpunkte beschrieben hat, die am Ende den erhofften Erfolg und damit den Erhalt der Blöcke ermöglichen könnte. Zum einen gelte es bei der Überarbeitung der GIRL im Rahmen ihrer Einführung in die TA Luft eine Regelung zur Ortsüblichkeit von Gerüchen in über lange Zeit gewachsenen Gemengelagen aufzunehmen. Zum anderen spricht sich der hessische Wirtschaftsminister für die Einführung der auch von der Baulandkommission angeregten Experimentierklausel aus.
Aus der früheren Stellungnahme der Bundesumweltministerin schließt Kaminsky, dass man in Berlin beiden Vorschlägen durchaus aufgeschlossen gegenübersteht. Insbesondere die von der Stadt Hanau in ihren planungsrechtlichen Denkanstößen angeregte Aufnahme einer Experimentierklausel in das Bundesrecht, mit der den planenden Gemeinden größere Abwägungsspielräume bei der Bewältigung von Immissionskonflikten zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums eingeräumt würden, werde befürwortet. Wie Hanaus OB erläutert, setzt die Stadt Hanau ihre Hoffnung jetzt darauf, dass eine solche Klausel tatsächlich kommt.
Zum Abschluss erinnert er noch einmal daran, dass die Stadt mit Blick auf die Interessenlage des sehr lange am Standort befindlichen Gewerbebetriebes Goodyear Dunlop keine Bauleitplanung initiieren wird, die aus der Sicht des Betriebes Abwehransprüche auslösen würde oder dessen Zukunftsfähigkeit in Frage stellen würde. „Auch aus diesem Grunde sprechen wir uns nochmals für die Erweiterung des geltenden rechtlichen Rahmens aus und bitten Sie, sich dafür einzusetzen, dass die offenbar derzeit noch kontrovers diskutierte Experimentierklausel einvernehmlich zwischen Ihrem Hause und dem für den Bereich Bauen zuständigen Innenministerium abgestimmt und eine Lösung gefunden wird, die unsere planungsrechtlichen Spielräume im Interesse der wohnungssuchenden Bürger*innen erweitert.“