Wolfsburg (aw). In den 1970er Jahren wurden in Deutschland Denkmalschutzgesetze initiiert, sowohl in der alten Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR. Das Denkmalschutzgesetz des Landes Niedersachsen trat vor genau vierzig Jahren in Kraft, Anfang April 1979. In Wolfsburg dauerte es danach noch zehn Jahre bis 1989 die erste vorläufige Denkmalliste erarbeitet war. Für jedes Objekt sollte hier begründet werden, warum es schützenswert ist.
Zu den ältesten Baudenkmalen, die diese Liste aufführt, zählen die St. Annen-Kirche in Hesslingen sowie die Kirchen St. Adrian in Heiligendorf und St. Nicolai in Nordsteimke, die jeweils um das Jahr 1200 ihren Ursprung haben. Als jüngstes Bauwerk ist das Scharoun-Theater am Klieversberg geschützt, das ab 1965 nach Plänen des Berliner Architekten Hans Scharoun entstand und 1973 eingeweiht wurde. Die historischen Werkshallen am Mittellandkanal mit Kraftwerk und VW-Hochhaus gelten sogar als größtes Industriedenkmal in Niedersachsen.
Aktuell stehen in Wolfsburg 1622 Objekte unter Denkmalschutz. Es handelt sich dabei überwiegend um Gebäude, aber auch um Kriegerdenkmale und Grabsteine, Bodendenkmale oder technische Anlagen wie die Schleuse in Sülfeld. Die Liste umfasst dabei rund 100 Denkmalgruppen, die, wie beispielsweise alte Hofanlagen, aus einem Wohngebäude, Scheune und Ställen bestehen oder sogar ganze Siedlungseinheiten umfassen können. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Steimker Berg, der als erstes Wohngebiet der „Stadt des KdF-Wagens“ ab 1938 entstand und mit 483 Wohneinheiten, Freianlagen und Bäumen, Pflasterbelägen und Straßenlaternen komplett als einheitliche Anlage bewahrt wird.
Die Stadt Wolfsburg selbst kümmert sich um rund 90 Denkmale in ihrem Besitz. Gepflegt werden Schulen und Feuerwehrhäuser, verschiedene Rathäuser, Gerichtsgebäude und Friedhofskapellen, Burg- und Schlossanlagen, eine Schmiede und ein Wasserturm, zahlreiche Wohngebäude und vieles mehr. Neben den Kirchen sind in Wolfsburg gerade die Wohnungsgesellschaften Neuland und Volkswagen Immobilien Inhaberinnen vieler Baudenkmale. Die Höfe in der Innenstadt zählen ebenso dazu wie Siedlungen am Hellwinkel und am Wellekamp, am Brandenburger Platz und an der Braunschweiger Straße. Sie sollen auch künftig noch erzählen von der besonderen Entstehungsgeschichte Wolfsburgs und den verschiedenen Aufbauepochen der Stadt.
Auslöser für die Denkmalschutzbemühungen der 1970er Jahre war die Erkenntnis, dass in der Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg mehr alte und erhaltenswerte Gebäude zerstört wurden als im Krieg selbst. Dies stieß zunehmend auf Widerstand bei der Bevölkerung. „Eine Zukunft für unsere Vergangenheit“ lautete das Motto des europäischen Denkmalschutzjahres 1975, das ein wichtiger Wegbereiter für die Denkmalschutzgesetze war.
Das gestiegene Bewusstsein für historische Bauten und ihren Wert trägt in vielen Bereichen heute wesentlich zur Identität der Orte bei. Für viele Menschen sind bauliche Zeugnisse anderer Jahrhunderte beziehungsweise Jahrzehnte ein wesentlicher Teil ihres Begriffes von zu Hause sein. Dabei werden nicht nur Burgen, Schlösser und Kirchen geschätzt, sondern auch Orte, die aus der jüngeren Geschichte der Stadt erzählen.
„Im Unterschied zu den Anfängen vor vierzig Jahren, wo es primär um die Erhaltung von Denkmalsubstanz ging, hat sich die Auffassung der Denkmalpflege aber durchaus gewandelt“, unterstreicht Stadtbaurat Kai-Uwe Hirschheide. Ausgeprägt ist heute eine konstruktive Haltung, die Altes bewahren, dabei aber auch nicht neue Entwicklungen verhindern will. Die Generalsanierung des Theaters ist dafür ein hervorragendes Beispiel.
In Deutschland sind die Denkmalschutzgesetze Sache der Länder, so dass es bei den Ländergesetzen zum Denkmalschutz auch kleine Unterschiede gibt. Alle gehen aber davon aus, dass es Aufgabe der Gesellschaft ist, Kulturdenkmale zu schützen, zu pflegen und zu erforschen.
Im Auftrag des Landes Niedersachsen kümmert sich die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Wolfsburg mit derzeit zwei Stellen um Beratung und fachliche Unterstützung der Denkmalbesitzer sowie die Genehmigung von Umbau-, Sanierungs- oder Erweiterungsmaßnahmen an den geschützten Baudenkmalen. Sie alle sind ausgebildete Architekten. Hinzu kommt ein Grabungstechniker, der für die archäologische Denkmalpflege tätig ist.
„Uns ist wichtig, dass schon im möglichst frühen Stadium eines Bauprojektes das Gespräch mit uns gesucht wird, um gemeinsam einen guten Weg zu finden“, bekräftigt Denkmalpflegerin Susanne Dreißigacker. „Häufig ist den Denkmaleigentümern die historische Gestaltung ihres Bauwerks sehr wichtig und wir können anhand unserer Erfahrungen beraten, handwerkliche Tipps geben und auf historische Besonderheiten hinweisen. Wenn Vorhaben rechtzeitig beantragt und abgestimmt werden, ist zudem eine finanzielle Förderung möglich.“