Paderborn (pm/aw). Die archäologischen Untersuchungen in der Paderborner Innenstadt sind fast abgeschlossen. Archäolog*innen sind unter fachlicher Begleitung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) an der Mühlenstraße/Krämerstraße auf noch ältere Siedlungsspuren gestoßen. Zahlreiche Grubenkomplexe, größere Grube und Pfostenlöcher lassen auf eine intensive Holzbebauung ab dem neunten Jahrhundert schließen. Latrinen und Brunnen sowie Ofenreste geben Aufschluss über das Leben der einfachen Bürger:innen ab dem 13. Jahrhundert.
"Schon in der Eisenzeit, also vor mehr als 2.000 Jahren, war das Areal an den Quellen der Pader ein bevorzugtes Siedlungsgebiet, das den Menschen durch seine Nähe zum Wasser und den fruchtbaren Lössboden optimale Bedingungen bot", erklärt die LWL-Stadtarchäologin Dr. Sveva Gai. So war es nicht überraschend, als die Ausgrabung zwischen der Mühlenstraße und der Krämerstraße weitere frühmittelalterliche Siedlungsspuren zutage gefördert hat. Schon in einer Quelle aus dem Jahr 1036 ist das Dorf unter dem Namen Aspethera erfasst. Bereits im August hatten Archäolog*innen mittelalterliche und frühneuzeitliche Siedlungsreste und Mauerstrukturen freigelegt, die eine Nutzung des Areals bis in die Moderne belegen. Nun sind sie auf noch ältere Phasen gestoßen: eine Besiedlung der karolingisch-ottonischen Zeit (9. bis 10. Jahrhundert), die wiederum einen eisenzeitlichen Siedlungsplatz überlagert.
Gai: "Eindrucksvoll ergeben sich 80 Zentimeter unterhalb des Straßenniveaus, am ehemaligen Standort der Diskothek 'Red House', zahlreiche Grubenkomplexe, größere Gruben und Pfostenlöcher, die auf eine intensive Holzbebauung schließen lassen." Besonders hervorzuheben seien zwei größere Grubenhauskomplexe im Westen und Osten des Areals, die auf das 9. und 10. Jahrhundert datierten.
Grubenhäuser waren im Mittelalter Bestandteil von Höfen oder größeren Siedlungen. Gai: "Neben den Pfostenbauten, also richtigen Wohnhäusern, die heute nur noch anhand von Pfostenreihen ablesbar sind, lassen dunkle rechteckige Verfärbungen im Boden Grubenhäuser erkennen." Anhand dieser Reste können Archäolog*innen den Grundriss eines Hauses erkennen sowie dessen Konstruktionsweise und die Funktion. Gai weiter: "In Paderborn beginnt man im 11. Jahrhundert, aus Stein zu bauen, meist sind das Kirchen und Residenzen, aber auch Kurien und Häuser von Adligen und Kaufleuten. Die Gebäude der Paderborner Bürger*innen aber, der Handwerker und ärmeren Leute, waren weiterhin aus Holz."
Das Grubenhaus war im Mittelalter eine in den Boden eingelassene Hütte, die mit einem Spitzdach überbaut war. Häufig wurde sie als Werkstattgebäude oder Webhütte genutzt. Das Dach reicht meist bis zum Boden oder die Wände sind nur zum Teil eingetieft und ragen aus dem Boden heraus.
"Diese Grubenhäuser haben wir auch auf der Grabungsfläche an der Mühlenstraße gefunden", so Gai. "Im Westen zeichneten sich drei größere, annähernd rechteckige Gruben ab, die hintereinander entstanden sind und sich ablösten." Wahrscheinlich habe man hier die Häuser, statt sie zu reparieren, gleich neu gebaut, vermutet die Stadtarchäologin. "Im Osten der Ausgrabungsfläche fanden wir zwei rechteckige, leicht versetzte Grundrisse, die in dem gewachsenen Lehm eingetieft worden waren." Alle fünf Grundrisse zeigten im Boden Spuren von vier Eckpfosten und zwei Firstpfosten, die das Giebeldach trugen. Gai: "An der westlichen Seite von zwei Grubenhäusern kann man von Westen her zwei aneinander liegende Pfostenspuren ablesen, die den Eingangsbereich kennzeichnen."
Das dritte Grubenhaus des westlichen Komplexes wird zudem von einer Latrine überlagert, die womöglich in Zusammenhang mit der spätmittelalterlichen Nutzung des Areals und seinen umliegenden Gebäuden steht. Drei Brunnen und einige Latrinen durchqueren die Fläche an mehreren Stellen. Gai: "Die Brunnen stammen abwechselnd aus dem Mittelalter und der Moderne. Darauf lassen die Keramik- und Glasscherben in deren Verfüllung schließen. Der älteste Brunnen enthält Keramikfragmente des 13. Jahrhunderts. Er wurde etwa um diese Zeit aufgegeben und zur Abfallgrube umfunktioniert. Die eigentliche Anlage des Brunnens ist sicherlich älter."
An zwei Stellen auf der Ausgrabungsfläche konnten die Archäolog*innen zudem zahlreiche, in Reihen angelegte Pfostenlöcher erkennen, die auf Grundrisse schließen lassen, die das Vorhandensein von weiteren größeren Pfostenbauten belegen. Die relativ geringe Grabungsfläche von insgesamt zirka 380 Quadratmeter lässt nur zwei Ost-West orientierte Pfostenbauten zu. Deren Spuren setzen sich außerhalb der Fläche im Westen und Osten fort, so dass die Gesamtlänge der Gebäude bisher unbekannt ist.
Die Archäolog*innen gehen davon aus, dass in Aspethera, heute als Paderborner Stadtteil zu bezeichnen, im Spätmittelalter oder in der Frühneuzeit auch ein Schmied ansässig war. Reste der Ofenstruktur aus angeziegeltem roten und gelben Lehm befanden sich oberhalb des aufgefüllten und längst vergessenen Grubenhauses. "Es handelt sich eindeutig um Ofenreste, die nicht mehr an ihrem ursprünglichen Ort lagen, sondern aus der Zerstörung des Ofens stammen", erklärt Grabungsleiter Dr. Dieter Lammers. "Eine weitere, runde Ofenplatte aus verbranntem Lehm kam in der Nähe zum Vorschein. Sie deutet direkt auf die Ofenstelle hin." Um den Ofen herum waren verschiedene Pfostenlöcher mit Brandlehm verfüllt - ein Hinweis darauf, dass dieser überdacht war. Eine große Grube, gefüllt mit Eisenschlacken, zeugt von Schmiedetätigkeiten. Diese Grube wiederum überlagerte die Verfüllung eines jüngeren Grubenhauses.
"Besonders spannend an dieser Ausgrabung ist der neue Blick auf die frühmittelalterlichen Phasen der Paderborner Siedlungsgeschichte, für die die Stadt an manchen Stellen eine recht günstige Forschungslage bietet", erklärt Gai. Die archäologischen Untersuchungen gehen weiter. "Die Hälfte der zu bebauenden Fläche haben wir nun erschlossen. Für die Fortsetzung muss erst einmal die Sanierung des Gebäudes an der Krämerstraße abgeschlossen sein."