Gütersloh/Lünen (aw). Die Gütersloher Unternehmensgruppe Hagedorn hat sein Kraftwerk-Revitalisierungsportfolio um ein weiteres Objekt erweitert. Wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte, konnte sich Hagedorn das rund 37,2 Hektar große Areal inklusive sämtlicher Gebäude und Anlagen nach einer nationalen Ausschreibung sichern - samt Ankaufsrecht auf weitere 5,3 Hektar. Hagedorn setzte sich nach eigenen Angaben gegen mehrere Mitbewerber durch, was neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hauptsächlich an der starken Prozesskette des Revitalisierungsspezialisten lag. Das im März 2019 endgültig stillgelegte Steinkohlekraftwerk im Lüner Ortsteil Lippholthausen (Kreis Unna) ist neben dem Kraftwerk Knepper (Uniper) und dem Kraftwerk Bochum (RWE) bereits die dritte Mammutaufgabe für den Gütersloher Spezialisten.
Hagedorn wird die Revitalisierung der Fläche in Abstimmung mit der Stadt Lünen einer neuen gewerblichen Nutzung zuführen. "Vor dem Hintergrund einer zukunftsgerichteten Gewerbeflächenentwicklung hat diese Fläche eine große Bedeutung für die Stadt Lünen. Die Revitalisierung dieser großen Industriefläche bedeutet für Lünen eine Chance: Hier können wir emissionsarme und zukunftsfähige Betriebe mit tariflich bezahlten Arbeitsplätzen anziehen. Die Stadt ist bereits aktiv geworden: Zurzeit setzen wir den Auftrag des Stadtrates um, ein Entwicklungskonzept für den Stadtteil Lippholthausen zu erarbeiten, in dem sich die Fläche befindet. Dies geschieht auch in Abstimmung mit den vorhandenen Betrieben vor Ort. Das Entwicklungskonzept soll bis Herbst 2020 vorliegen und wird eine wichtige Grundlage für die von der Stadt Lünen durchzuführende Bebauungsplanung der STEAG-Fläche sein."
Die Gütersloher Unternehmensgruppe kümmert sich neben dem fachgerechten Rückbau auch um Altlastensanierung, Entsorgung und Stoffstrommanagement bis hin zum Tiefbau und beschafft das benötigte Baurecht, um die baureife Fläche anschließend an Gewerbegrundstücksentwickler zu verkaufen. "Bei der Revitalisierung des Kraftwerks nutzen wir nicht nur die gesamte Prozess- und Wertschöpfungskette unserer Gruppe, wir zählen mit dieser Schaffung von Greenfields insbesondere auch auf die Nachhaltigkeitsstrategie zur Reduzierung von Grünflächenversiegelung der Bundesregierung und der EU ein", so Thomas Hagedorn, Unternehmensgründer und geschäftsführender Gesellschafter.
Zum Jahresende 2018 kündigte die Bahn einen Vertrag über die Lieferung von 110 MW Bahnstrom, aus diesem Grund beantragte die STEAG die endgültige Stilllegung von Lünen 6 und 7 bei der Bundesnetzagentur zum 2. März 2019. Da keinerlei Systemrelevanz bestand, wurden die Kraftwerksblöcke bereits zum 31. Dezember 2018 endgültig vom Netz genommen. Grund der endgültigen Stilllegung war der nicht mehr wirtschaftliche Kraftwerksbetrieb. "Große Industrieareale zu revitalisieren ist für Hagedorn Kerngeschäft und Kernkompetenz zugleich. Gerade den Energiekonzernen bieten wir mit unseren Leistungen professionelle Lösungen für ihre stillgelegten oder noch stillzulegenden Kraftwerke an", sagt Rick Mädel, Geschäftsführer der Hagedorn Revital GmbH.
Kraftwerk Lünen
Das Lüner Kraftwerk gehörte zum Stadtwerke-Konsortium Rhein-Ruhr und wurde von 1938 bis 1941 zur Versorgung eines in der Nähe liegenden Aluminiumwerks von der STEAG errichtet. Zu damaliger Zeit betrug die Leistung 180 Megawatt. 1962 benannte man das Kraftwerk nach dem deutschen Bergingenieur und Manager der Montanindustrie, Hermann Kellermann, welches fortan als "Kraftwerk Kellermann" firmierte. Der 250 Meter hohe Kamin des Kraftwerks wurde im September 1968 fertiggestellt, der zu diesem Zeitpunkt als höchster Schornstein Europas galt. In den 1970er Jahren wurden im Kraftwerk Versuche zur Kohledruckvergasung mit angeschlossenem Gas/Dampfturbinenprozess gemacht.
Zuletzt verfügte das Kraftwerk über zwei Kraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung von 473 Megawatt - die beiden Blöcke wiesen Leistungen von 324 und 149 Megawatt auf - bezogen ihr Kühlwasser aus der Lippe. Zusätzlich stand seit 1984 ein 110-Megawatt-Turbogeneratorsatz zur Bahnstromerzeugung zur Verfügung. Neben der Stromerzeugung speiste das Kraftwerk seit Ende 2003 in das Fernwärmenetz der Stadt Lünen ein. Der jährliche Steinkohleverbrauch betrug 960.000 Tonnen und der CO2-Ausstoß 2,1 Millionen Tonnen (980 g CO2 pro kWh). Der kleinere der beiden Kraftwerksblöcke speiste auf der 110-kV-Ebene über die Schaltanlage Lünen in das Verteilnetz von Westnetz ein, der größere Kraftwerksblock auf der 220-kV-Ebene über die Schaltanlage Elmenhorst in das Übertragungsnetz von Amprion und DB Energie.