Rheinland (pm/aw). Das Stadttor aus dem Mittelalter, die Burg auf der Anhöhe, die ehemalige Papierfabrik, die nun als Wohnhaus dient, die archäologischen Funde aus der Frankenzeit, das Reiterstandbild oder die Bilderstöcke am Wegesrand – viele große und kleine Denkmäler geben den 396 Städten und Dörfern in Nordrhein-Westfalen ihr unverwechselbares Gesicht. Etliche Menschen verbinden damit ein Heimatgefühl und Lebensqualität. Wird sich das bald verändern oder sogar verschwinden? Diese Sorge hat der Landschaftsverband Rheinland (LVR) mit seinen zuständigen Fachämtern in der Bodendenkmalpflege (LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland) und Denkmalpflege (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland). Grund ist ein Gesetzentwurf, den das nordrhein-westfälische Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung vorgelegt hat und der gravierende Veränderungen im bestehenden Denkmalschutzgesetz vorsieht.
Der LVR kritisiert unter anderem die geplante Schwächung der zuständigen LVR-Ämter. So ist vorgesehen, dass das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) künftig nicht mehr beantragen kann, ein Denkmal in der Denkmalliste unter Schutz zu stellen. „An diesem Beispiel wird deutlich, dass sich das grundsätzliche Verständnis von einem Denkmal wandelt: Von einem Objekt, was es zu schützen gilt hin zu einem Objekt, dessen Wert sich vor allem an seiner Nützlichkeit bemisst“, fasst Milena Karabaic, LVR-Dezernentin Kultur und Landschaftliche Kulturpflege zusammen. „Derzeit stellen wir als Fachamt mit unseren Denkmalwertgutachten über 90 Prozent der Anträge auf Unterschutzstellung“, weiß Dr. Andrea Pufke, Leiterin des LVR-ADR. „Dahinter steckt ein hohes Maß an Expertise, um die Denkmäler vor Ort zu entdecken, zu untersuchen und zu erfassen. Dieses Fachwissen können – insbesondere die kleineren Kommunen – gar nicht vorhalten“, so Pufke. Wer also wird künftig solche Anträge stellen?
Bislang war eine gute fachliche Arbeit vor Ort möglich, da es die Unterstützung vom LVR-ADR gab, welches an allen Entscheidungen im Denkmalschutz intensiv mit seinen Fachleuten mitwirkt. Und in den meisten Fällen herrscht Einigkeit zwischen dem LVR-Fachamt und den Städten und Gemeinden über die Objekte - sei es, wenn sie in die Denkmalliste aufgenommen werden sollen oder wenn es um Veränderungen am Denkmal geht. Diese Mitwirkung findet aktuell in Form der sogenannten „Benehmensherstellung“ zwischen den beiden Parteien statt. Diese geschieht durch eine intensive Diskussion aller Beteiligten über die aktuellen Nutzungswünsche im Sinne der besten Lösung für das Denkmal. Das soll künftig auf ein bloßes Anhörungsrecht für das LVR-ADR heruntergestuft werden. „Das entspricht beinahe einer Kenntnisnahme am Ende des Entscheidungsprozesses, die für das weitere Verfahren im Grunde kaum Relevanz hat, denn die Unteren Denkmalbehörden vor Ort sollen im Wesentlichen ohne unser Fachamt entscheiden“, stellt Pufke fest. Sie fragt sich, warum eine geplante Neufassung eines Gesetzes zum Schutz der Denkmäler genau das Amt mit der größten denkmalpflegerischen Kompetenz so radikal beschneidet.
Auch das Amt für Bodendenkmalpflege hat Sorge, dass durch geplante Veränderungen in den Zuständigkeiten, Fundstellen künftig stärker gefährdet sind. „Es droht, dass die Frage des Erhalts eines Bodendenkmals nicht mehr gestellt, sondern direkt die Ausgrabung genehmigt wird. Diese hat, auch wenn sie noch so gut durchgeführt und dokumentiert wird, immer die Zerstörung des Bodendenkmals zur Folge“, meint Dr. Erich Claßen, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege.
Auffällig und weiterer Kritikpunkt ist die Ungleichbehandlung der Eigentümerinnen und Eigentümer von Denkmälern. So genießen die Denkmäler der Kirchen und Religionsgemeinschaften ein Sonderrecht und werden bevorzugt behandelt. „Ist das verfassungskonform?“, fragt sich Milena Karabaic, die hier einen Verstoß gegen das Gebot der Trennung von Kirche und Staat sieht. So ist zum Beispiel vorgesehen, dass zuständigen Behörden der Zutritt zu den Gebäuden verwehrt werden kann. In dem Entwurf wird dazu erläutert, dass damit die Achtung des Staates vor der Kirche zum Ausdruck gebracht werden soll. „Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass das Betreten eines sakralen Gebäudes aus Gründen des Denkmalschutzes eine Missachtung ausdrückt“, so Andrea Pufke. Insgesamt ist offensichtlich, dass den Kirchen durchgängig eine maximale Eigenständigkeit zugesprochen werden soll. Diese gipfelt darin, dass die Kirchen in strittigen Fällen sogar selbst die Ministerin um Entscheidung anrufen können – ein Recht, das bisher nur den Landschaftsverbänden zusteht. Und sie dürfen an dieser Entscheidung sogar in einem Sakralausschuss mitwirken, die Fachämter werden dagegen nur bei Bedarf hinzugezogen.
Andere in der Denkmalpflege aktive Vereine und Institutionen haben ebenfalls ihre Gedanken zu dem Gesetzentwurf geäußert und fällen teilweise ein vernichtendes Urteil. So schreibt der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V. in seiner Stellungnahme: „Die Neufassung des DSchG sollte in dieser Form nicht dem Landtag zur Beratung vorgelegt werden. Sie ist in der Darstellung des Problems und den abgeleiteten Lösungen mangelhaft. Insgesamt werden Denkmäler abgewertet, die fachliche Dimension wird geschwächt, vorgeschlagene Verfahrensänderungen laufen modernen Grundsätzen der guten Regierungsführung entgegen, sie entwickelt keine neuen Ansätze und fällt hinter globale und europäische Standards zurück bzw. berücksichtigt nicht den aktuellen Stand von Denkmalpflege und -schutz in Europa. Dem Kultur-, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen droht im Bereich Denkmalschutz, -pflege, und -forschung Relevanzverlust.“
Mit der mehrstimmigen Kritik an dem Gesetzentwurf gehen viele Fragen einher: Warum wird ein bewährtes, eingespieltes und gut funktionierendes System ohne erkennbaren Grund aufgegeben? Wem dient es? Vor allem in Fachkreisen wird – mit Blick auf den Aufgabenzuschnitt der zuständigen Ministerin – eine mögliche Einflussnahme starker Lobbyisten, zum Beispiel aus der Bauwirtschaft oder den Kirchen, vermutet. Zumindest solange, bis es belastbare und nachvollziehbare Antworten aus Düsseldorf gibt.
„Der Gesetzentwurf lässt eine durchdachte Strategie vermissen, die auch dem Praxis-Test im Denkmalpflege-Alltag Stand hält. Viele Fragen sind abschließend nicht geklärt und bedürfen dringend einer Bearbeitung“, meint Milena Karabaic.