Mittelalterliche Handwerkersiedlung in Paderborn gefunden

Stadtarchäologin Dr. Sveva Gai (l.) und Grabungsleiter Thies Evers (r.) zeigen Pressevertretern die Reste eines mittelalterlichen Grubenhauses. Foto: LWL/R. Süße

Paderborn (lwl/aw). Im Zusammenhang mit dem Bau von Windkraftanlagen bei Paderborn-Benhausen haben Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) Spuren einer mittelalterlichen Siedlung gefunden. Die Entdeckung ist für die Stadtarchäologie Paderborn von besonderem Interesse, da bislang aus diesem Gebiet archäologisch wenig bekannt ist. Dort, wo während der Bauarbeiten ein großer Kran stand, stießen die LWL-Archäologen in der Erde auf sogenannte Grubenhäuser aus dem Mittelalter. Hierbei handelt es sich um Wohn- oder Werkstattgebäude, die in den Boden eingegraben wurden. Von solchen Häusern bleiben bis heute verfüllte Gruben zurück, die in diesem Fall etwa 4 bis 6 Quadratmeter groß sind.

Außerdem fanden die Archäologen die Reste mehrerer Öfen, in denen Eisen gewonnen wurde. Darauf deuten auch die vielen auf der Fläche verteilten Stücke von Schlacke, die als Abfallprodukt bei der Erzeugung von Eisen entstanden sind. "Nach unseren bisherigen Erkenntnissen haben wir hier wohl die Werkstätten von einem oder mehreren Schmieden entdeckt", vermutet die Paderborner Stadtarchäologin Dr. Sveva Gai. "Offenbar handelt es sich um eine Art mittelalterliches Gewerbegebiet."

Dass die Häuser und die Öfen aus dem Mittelalter stammen, wissen die Forscher durch die Keramikscherben, die sie in den Gruben gefunden haben. Die Scherben gehören zu Töpfen, die für das 9. bis 11. Jahrhundert typisch sind. Die Größe der Siedlung können die Archäologen bislang nur schätzen: Sie betrug mindestens 3.000 Quadratmeter.

Das ausgegrabene Handwerkerviertel von Paderborn-Benhausen gehört wahrscheinlich zu der einstigen Siedlung Marsfelde, die bislang nur aus schriftlichen Quellen bekannt war. Die Siedlung wurde im Mittelalter aufgegeben und von ihren Bewohnern verlassen. Solche Städte bezeichnen Archäologen als "Wüstungen". An das vergangene mittelalterliche Städtchen erinnert heute noch die Marssaut, eine Wasserstelle nicht weit entfernt von der Ausgrabungstätte. Auch der Name der Landschaft "Moorsfeld" leitet sich von der alten Siedlung ab. Marsfelde wird im Jahr 1024 erstmalig in einer Urkunde erwähnt und gilt als älteste Wüstung in dem Gebiet um Benhausen.

Die Archäologen des LWL wurden hier in Paderborn-Benhausen nicht zum ersten Mal fündig. Schon zu Beginn der Bauarbeiten im Dezember letzten Jahres kamen erste Grubenhäuser und Ofenreste ans Tageslicht. Seit Abschluss der Bauarbeiten im Juni 2017 wurden auf zwei weiteren Teilflächen Untersuchungen durchgeführt, bevor die ehemalige Baustelle wieder für die landwirtschaftliche Nutzung aufbereitet werden soll.

Es stellte sich heraus, dass auf diesen Flächen zahlreiche archäologische Befunde liegen. Da diese durch die Bauarbeiten nicht weiter gefährdet waren, endeten die vom Denkmalschutzgesetz NRW festgelegten Verpflichtungen des Investors, die Dokumentation der Befunde zu finanzieren. Die Fundstelle ist aber so bedeutend, dass die Wiederverschließung der Befunde, ohne diese auszugraben, einen viel zu großen Befundverlust verursachen würde. Die Befunde liegen teilweise nur 30 cm unter der Erdoberfläche. Daher droht die Gefahr, dass diese durch das Pflügen unwiederbringlich zerstört würden.

Um die Befunde zu sichern, führte die Stadtarchäologie Paderborn die Arbeiten für drei Wochen als Lehrgrabung für Studierende weiter. Weitere Unterstützung kommt durch Teilnehmer einer Kooperation mit dem katholischen Verband IN VIA Paderborn, der Langzeitarbeitslosen Brückenjobs bzw. Arbeitsgelegenheiten (AGH) bietet. So gelang es den Archäologen des LWL, ein wichtiges Stück mittelalterlicher Geschichte vor den Stadttoren Paderborns zu sichern. Die Grabungsarbeiten werden zum Ende dieser Woche abgeschlossen sein.

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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.