Herten (pm/aw). Das 53 Hektar große Gelände der ehemaligen Zeche Ewald 1/2/7 ist komplett vermarktet: In der letzten Aprilwoche hat die RAG Montan Immobilien das letzte Grundstück aus ihrem Bestand - rund 1.700 Quadratmeter groß - im nördlichen Teil des Areals an die Stadtwerke Herten verkauft. Zum Jahreswechsel 2020 ging das vorletzte Grundstück in der so genannten „Dienstleistungsschicht“ an den Fachsoftware-Hersteller Prosoz. Auf 7.200 Quadratmetern sollen Büros in Anbindung an das Wasserstoff-Kompetenzzentrum Herten entstehen. Außerdem wird in diesem Sommer der US-amerikanische Brennstoffzellen-produzent Cummins Inc. auf einem 7.700 Quadratmeter großen Grundstück eine neue Entwicklungs- und Produktionstätte für die erste Serienfertigung emissionsfreier Antriebssysteme in Deutschland eröffnen.
Damit findet das gut zwei Jahrzehnte währende Entwicklungsprojekt „Zukunftsstandort Ewald“ einen gelungenen Abschluss. Ewald war in vielerlei Hinsicht Vorreiter für andere Vorhaben in der Region. In einer Rekordzeit von nur sieben Jahren war das Gelände im Süden Hertens nach der Stilllegung des Bergwerks im Jahr 2000 saniert und baureif gemacht worden.
„Der Schlüssel zum Erfolg am Zukunftsstandort Ewald liegt im umfassenden Angebot an Flächen, Beratung, Netzwerk und Unterstützung sowie dem engen Austausch mit Wirtschaft und Wissenschaft“, sagt Hertens Bürgermeister Matthias Müller. „Es ist fantastisch, einen Global Player wie Cummins auf Ewald aufzunehmen. Das passt ideal ins Konzept für den Standort: Auf Ewald konzentrieren wir uns auf Innovation und die saubere Zukunft des Verkehrs.“
Christoph Happe, als Vertriebsmitarbeiter der RAG Montan Immobilien für die Vermarktung der Grundstücke auf Ewald verantwortlich, betont: „Den Verkauf der letzten freien Flächen sehe ich als Bestätigung unseres nachhaltigen Anspruchs, ehemalige Industrieareale zu revitalisieren. Auch hier haben wir als Immobilientochter der RAG gezeigt, dass der Konzern die Region im Strukturwandel nicht alleine lässt.“
Der Verkauf der letzten Grundstücke markiert für die RAG-Immobilientochter zugleich den Abschluss einer außerordentlich erfolgreichen Kooperation. Bereits 1999 hatten die RAG Montan Immobilien (damals noch Montan-Grundstücksgesellschaft - MGG) und die Stadt Herten die Projektgemeinschaft Ewald 1/2/7 gegründet und damit die Weichen für die Reaktivierung des Zechenareals gelegt. Von Beginn an verfolgten beide Partner dabei eine ungewöhnliche Strategie: Sanierung, Herrichtung, Erschließung und Vermarktung der Fläche erfolgten parallel, so dass erste Ansiedlungen gerade einmal zwei Jahre nach der Zechenschließung vermeldet werden konnten.
Mehr noch: Die angepeilte Zahl von 1.000 neuen Arbeitsplätzen wurde bereits 2008 erreicht; mittlerweile sind vor Ort mehr als 1.500 Arbeitsplätze entstanden. Bernd Lohse, ehemaliger zuständiger Projektleiter bei der RAG Montan Immobilien: „Dass jetzt das letzte freie Grundstück auf dem Gelände verkauft wurde, bringt die Arbeit der Projektgemeinschaft zu einem wirklich guten Abschluss. Mitten in der größten Haldenlandschaft Europas ist ein Gewerbe- und Logistikstandort von europäischem Format entstanden.“ Und das nicht zuletzt dank optimaler Standortbedingungen: der Nähe zu den Flughäfen Dortmund und Düsseldorf, einer direkten Anbindung an die Autobahnen A2, A42 und A43 sowie dank des naheliegenden Rhein-Herne-Kanals Anschluss an den Güter- und Binnenschifffahrtsverkehr.
Michael Kalthoff, Vorsitzender der Geschäftsführung der RAG Montan Immobilien ist überzeugt: „Alle an der Realisierung des Zukunftsstandortes Ewald Beteiligten sind von Anfang an mit großer Leidenschaft, Flexibilität und einer klaren Vision für die Zukunft an die Arbeit gegangen. Und genau das macht ein erfolgreiches Projekt aus, das Strahlkraft nicht zuletzt auch in die Region hat. Auf Grundlage des vorliegenden Masterplans hat die RAG Montan Immobilien mit dem Zukunftsstandort Ewald ein Quartier entwickelt, das wie kein zweites in der Region Vergangenheit und Zukunft miteinander verknüpft.“
Tatsächlich hat sich insbesondere das Wasserstoff-Kompetenzzentrum im nordöstlichen Teil des Geländes zu einem Projekt von internationalem Renommee entwickelt. Nukleus des Kompetenzzentrums ist das 2009 gegründete erste kommunale Anwenderzentrum „H2Herten“. Hier wird mit dem Projekt „Windstromelektrolyse“ unter anderem die Gewinnung von so genanntem „grünen Wasserstoff“ möglich. Inzwischen nutzen zahlreiche spezialisierte Unternehmen die Technologie sowie die Büro-, Tagungs- und Technikumsflächen des Anwenderzentrums „H2Herten“, dessen Gesamtfläche in den vergangenen zwölf Jahren auf 8.300 Quadratmeter angewachsen ist.
Von Anfang an hatte sich die inzwischen aufgelöste Projektgemeinschaft Ewald 1/2/7 mit ihren Projektleitern Bernd Lohse und dem früheren Hertener Stadtbaurat Volker Lindner bei der Entwicklung des Standortes auf die Ansiedlung von zukunftsfähigen Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare Energien und zukunftsfähige Energieträger fokussiert.
Diese Strategie wird mit der im November 2020 angekündigten Entscheidung des US-amerikanischen Unternehmens Cummins Inc. fortgesetzt, auf Ewald eine Niederlassung zu errichten. In Herten will Cummins Inc. forschen, entwickeln und produzieren. Gestartet werden soll in der neuen Niederlassung laut aktuellem Plan im Juli 2021. Nach Auskunft des Unternehmens soll in Herten die Endmontage der Brennstoffzellensysteme für den weltweit ersten Personenzug erfolgen, der mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben wird. Der Global Player, der unter anderem auf Forschung, Entwicklung und Produktion von Brennstoffzellen spezialisiert ist, hat europaweit mehr als 6.700 Mitarbeiter, sieben Produktionsstätten und 20 Vertriebsstandorte.
Insgesamt stellt Ewald dem Sektor „Neue Technologien“ über 50.000 Quadrat-meter Fläche zur Verfügung. Neben dem Fachsoftware-Hersteller Prosoz, der jetzt noch einmal um 7.200 Quadratmeter „erweitert“, hat seit 2005 beispielsweise auch das weltweit agierende und auf industrielle Digitalisierung spezialisierte Unternehmen ISRA Vision Systems AG seinen Sitz in Herten – damals die erste Firmenansiedlung auf Ewald in einem Neubau.
Neben der Hochtechnologie ist Ewald auch einer der wichtigsten Bausteine des inter-kommunalen Projekts Last Mile Logistik der Städte Herten, Gelsenkirchen und Herne: Zwischen 2006 und 2008 haben sich auf insgesamt 18 Hektar des einstigen Zechengeländes sechs international tätige Logistikunternehmen mit rund 600 Mitarbeitenden angesiedelt, darunter mit der ProLogis Germany Management GmbH der weltgrößte Eigentümer, Verwalter und Entwickler von Logistikunternehmen. ProLogis nutzt allein auf Ewald 77.000 Quadratmeter Fläche.
Im Bereich der historischen Bestandsgebäude wiederum treibt die Zeche Ewald Entwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG seit 2015 mit der Motorworld Zeche Ewald-Ruhr ein ehrgeiziges Projekt voran, das Ewald auch als Eventlocation etablieren soll. Marc Baumüller, Geschäftsführer der Motorworld Zeche Ewald-Ruhr: „Im Kauen-Komplex mit der Lohnhalle passiert einiges, die Planung ist abgeschlossen, der Ausbau von Büro- und Eventflächen in vollem Gange. Darüber hinaus werden wir hier Gastronomie ansiedeln und sind bereits mit Partnern in Gesprächen.“ Und nicht zuletzt ist Ewald als Teil des Landschaftsparks Hoheward und mit dem RVR-Besucherzentrum in der ehemaligen Lohn- und Lichthalle in ein umfassendes Freizeitkonzept des Regionalverbands Ruhr (RVR) eingebunden.
Über 30 Millionen Euro sind seit 2000 allein in die Reaktivierung des Zechengeländes durch die Projektgemeinschaft in den Zukunftsstandort Ewald geflossen. Mehr als die Hälfte – 17,5 Millionen Euro – wurden allein in die Erschließung des Geländes investiert, davon über 13 Millionen Fördermittel. Mit Maßnahmen, die nicht über Fördermittel abgedeckt waren, beispielsweise die innere Erschließung, hat die RAG Montan Immobilien allein rund sieben Millionen Euro an eigenem Geld in die Entwicklung des Standortes investiert. Dazu kommen noch bis zu rund 10 Millionen Euro aus Rückstellungen der RAG für den Rückbau und die Flächensanierung des Bergwerksgeländes. „Ein Invest in die Fläche – und in die Zukunft von Stadt und Region,“ betont der ehemalige Projektleiter Lohse abschließend.