Gelsenkirchen (pm/aw). Das markante Fördergerüst der Zeche Consolidation Schacht 9 wird sich in den kommenden Monaten sichtbar verändern – der Rückbau der mit dem Gerüst verbundenen Hängebank hat begonnen. Die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, Eigentümerin des Denkmalensembles, konnte trotz immenser Bemühungen keine Finanzierung für eine Folgenutzung des einsturzgefährdeten Gebäudes, das nicht unter Denkmalschutz steht, finden. „Dass wir als Stiftung, die sich explizit für den Erhalt von Industriedenkmälern einsetzt, nun einen Rückbau organisieren müssen, fällt uns nicht leicht“, so Ursula Mehrfeld, Geschäftsführerin der Stiftung.
„Seit 1995 ist es unsere Aufgabe, vom Abriss bedrohte Denkmale zu sichern und zu bewahren. Die Zeche Consolidation zählte zu den ersten Denkmalen, die in die Obhut der Stiftung gegeben wurden. Von 2002 bis 2005 konnten wir bereits das Fördergerüst und die zugehörigen Maschinenhäuser gemeinsam mit der Stadt Gelsenkirchen und mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW (Städtebaufördermittel) sowie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sanieren. Dass die historische Hängebank mit ihrem Wagenumlauf erhalten blieb und die Stiftung das Bauwerk in ihr Eigentum übernommen hat, schien zunächst wie eine Chance, jedoch konnte das Gebäude nach reiflicher Abwägung auch aus finanziellen Gründen nicht bewahrt bzw. umgenutzt werden.“
Mit dem Abbruch der Hängebank wird nun ein städtebaulicher Missstand beseitigt. Nach der Stilllegung der Zeche im Jahr 1993 wurden weite Teile der Zeche abgebrochen, darunter auch die Hälfte der Hängebank und der mit ihr baulich verbundene Mannschaftsgang mit Waschkaue. Die dem Consolplatz zugewandte Abrissfront wurde danach nicht wieder verschlossen, sie bildet seitdem eine offene Ansicht als Abbruchfassade. Der Bereich wurde durch eine feststehende Zaunanlage von allen Seiten verkehrssicher eingezäunt. Nach über 20 Jahren ist das Gebäude einsturzgefährdet. Um das zu verhindern, wird die Stiftung nun aktiv und will der Stadt Gelsenkirchen innerhalb des entstehenden Freiraums Platz für städtebauliche Entwicklungen anbieten.
Erhalten bleiben wird weiterhin das denkmalgeschützte 53 Meter hohe Fördergerüst über Schacht 9, das als Wahrzeichen des Stadtteils Gelsenkirchen-Bismarck gilt und die beiden zugehörigen Maschinenhäuser, die bereits umgenutzt sind. Die Stahlfachwerk-Konstruktion aus genieteten Profileisen wirkt, obwohl sie hohe Lasten zu bewältigen hatte, insgesamt leicht und filigran. Die Hängebank, die nun abgebrochen wird, ist als große, aufgeständerte Schachthalle in das Fördergerüst integriert. Sie ist ein mächtiger, aufgeständerter Baukörper von 68,3 Meter Länge, 20,2 Meter Breite und 24,9 Meter Höhe.
Eine Hängebank ist der Ort am Schacht, an dem die geförderten Kohlen zu Tage kamen. Sieben Meter über dem Schachtende wurden hier die mit Kohlen beladenen Wagen in den Wagenumlauf gedrückt und entladen, um dann leer oder gefüllt mit dem Gesteinsmaterial, das nach dem „Waschen“ der Kohle übrigblieb, wieder nach unter Tage befördert zu werden. Jeder Förderkorb hatte vier Ebenen auf denen je zwei Wagen Platz hatten. Später kamen größere Kohlewagen hinzu, von denen nur noch einer pro Ebene passte.
Für die Bergleute begann und endete an der Hängebank die Seilfahrt. Sie stiegen in die Förderkörbe, um nach unten in die Grube einzufahren bzw. um nach Schichtende von unten auszufahren. Ab den 1950er Jahren wurden die Bergleute von der Waschkaue über einen aufgeständerten Mannschaftsgang herangeführt. Die Hängebank auf Consol ist für das Ruhrgebiet eine der letzten erhaltenen Zeugnisse dieser Abläufe des Bergbaus. Zwar ist sie nicht als Denkmal eingetragen, doch wurde der Denkmalwert im Zuge der Prüfung des Erhalts durch ein Gutachten des LWL-Amts für Denkmalpflege bestätigt.
Von 1997 bis 2019 hat die Stiftung in Zusammenarbeit mit der Stadt Gelsenkirchen mehrere Nutzungsüberlegungen intensiv geprüft. Darunter befanden sich privatwirtschaftliche Vorhaben, wie das Projekt „Wohnen in der Hängebank“, das in Folge der Absagen der Investoren aufgrund von Unrentierlichkeit scheiterte. In Zusammenarbeit mit der Stadt Gelsenkirchen wurden im Jahr 2005 Nutzungsüberlegungen im Rahmen einer Bürgerbeteiligung im Stadtteil mit verschiedenen Varianten - vom musealen Erhalt bis hin zum Rückbau - geprüft. Das Konzept „Wohnen“ wurde in der Bürgerschaft allgemein nicht befürwortet.
Die Stiftung beauftragte daraufhin 2005 ein Architekturbüro mit verschiedenen Erhaltungsvarianten und Kostenberechnungen. Unter allen Varianten wurde dabei der Kompletterhalt mit Zugänglichkeit des Wagenumlaufs im Innern der Hängebank favorisiert. Im Jahr 2018 hat die Stiftung die Überlegungen wieder aufgegriffen und ein weiteres Erhaltungskonzept beauftragt, das die Idee der musealen Zugänglichkeit des Wagenumlaufs und die Nutzungsinteressen der vor Ort ansässigen Vereine sowie des Consol Theaters berücksichtigt. Die geschätzten Kosten inkl. möglicher Folgekosten lagen dabei bei insgesamt 9 bis 10 Mio. Euro mit mehreren „Unbekannten“. Eine Summe, die nach reiflicher Abwägung sowohl innerhalb des Stiftungskuratoriums, dessen Vorsitzende Heimatministerin Ina Scharrenbach ist, als auch innerhalb der Stadt Gelsenkirchen nicht zu vertreten war.
„Wir hätten uns natürlich den Erhalt der Hängebank gewünscht“, so Martin Gernhardt, Vorsitzender des Initiativkreis Bergwerk Consolidation e.V. „An keinem anderen Standort im Ruhrgebiet hätte man so anschaulich die Funktion und Verbindung derGebäude vermitteln können“, so Gernhardt. Die Mitglieder des Vereins engagieren sich seit 1997 für den Standort, bieten Führungen an und haben die Fördermaschine im südlichen Maschinenhaus konserviert und wieder funktionstüchtig gemacht. Dennoch ein Trost: 3D-Dokumentationen durch die Stadt Gelsenkirchen und auch durch die RAG Aktiengesellschaft ermöglichen einen virtuellen Rundgang der Hängebank. Die Stiftung und die Stadt werden beraten, in welcher Form diese Daten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Der Rückbau begann mit der statischen Sicherung des Schachtführungsgerüstes, das ohne die Konstruktion der Hängebank nicht ausreichend gestützt sein wird. Daher wird hier ein Stahlkorsett errichtet, das das Gerüst vorrangig gegen Windlasten aussteift. Darauf folgen die Beräumung und Schadstoffsanierung der Halle sowie das Verfüllen von Hohlräumen, die im Zuge der vorlaufenden Untersuchungen entdeckt wurden. Dann beginnt der tatsächliche Rückbau, bei dem behutsam und Stück für Stück erst das Dach, dann das Mauerwerk, der Kohlebunker und zum Schluss das Stahltragwerk entfernt werden. Bis etwa Mitte des kommenden Jahres sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, abhängig von der Intensität der Wintermonate 2021/2022. Die Kosten für den Rückbau liegen bei rund 1,5 Mio. Euro und werden über Städtebaufördermittel finanziert. Die gesamte Maßnahme wird seit Beginn der Planungen bauökologisch begleitet, auch während der aktiven Abbruchphase.
Während der gesamten Dauer bleiben sowohl das südliche als auch das nördliche Maschinenhaus geöffnet. Weitere Informationen zu den Öffnungszeiten unter www.industriedenkmal-stiftung.de und www.gelsenkirchen.de