Dortmund/Castrop-Rauxel (aw). Sonntagmittag endete die Geschichte des ehemaligen Kohlekraftwerks "Gustav Knepper" zwischen Dortmund und Castrop-Rauxel bei strahlendem Sonnenschein, mit drei Sprengungen, viel Rauch und respektvollem Applaus. 120 Menschen mussten vorsichtshalber evakuiert werden. Diese und andere Anwohner hatte die Hagedorn Unternehmensgruppe, die das Kraftwerk 2017 gekauft hatte, zu einem Frühstück und anschließendem "Public Viewing" eingeladen. Sonderbusse beförderten die "Betroffenen", ehemalige Mitarbeiter des Kraftwerks und andere geladene Gäste zum Areal. Für diese wurden beheizte Zelte und spezielle Zuschauertribünen aufgebaut.
Sprengung des Kesselhauses verzögert sich
Angekündigt war die erste Sprengung, nämlich die des 70 Meter hohen Kesselhauses, für 11 Uhr. Weil sich zu diesem Zeitpunkt jedoch immer noch Personen in der Sicherheitszone befanden, verzögerte sich die Zündung um etwa 20 Minuten. Dann aber fiel das Gebäude in wenigen Sekunden um und hinterließ eine große Staubwolke. Als diese sich verzogen hatte, war klar: Erstes Vorhaben gelungen. Danach folgte angespanntes Warten auf das eigentliche Highlight. Der 210 Meter hohe Schornstein und der 128 Meter hohe Kühlturm sollten gemeinsam fallen.
Etwa eine Stunde später startete der Countdown, dann folgten die Zündungen der Sprengladungen. Während sich der Kühlturm mit einer eleganten Pirouette - als wollte er sich noch einmal vor den Zuschauern verneigen - in sich zusammensackte, fiel der Schornstein langsam aber bestimmt in sein vorbereitetes Sandbett. Punktlandung!
Verantwortlich für die Sprengungen war die Deutsche Sprengunion, ein Tochterunternehmen von Hagedorn. Dessen Sprengmeister André Schewcow zeigte sich zufrieden mit seiner Arbeit. "Ich bin dankbar, dass ich so eine große Aufgabe ausführen durfte", sagte Schewcow. Ein alter Hase in der Branche, nämlich Sprengmeister Eduard Reisch, der als Experte und Berater tätig war, kam gegenüber einem lokalen Fernsehsender richtig ins Schwärmen und sprach von einer "schönen Choreografie für eine Bauwerkssprengung, die man besser nicht hätte ausführen können."
Eine Hagedorn Sprecherin bestätigte auf Anfrage: "Alles ist nach Plan verlaufen." Über 200 Kilogramm Sprengstoff wurden eingesetzt, unzählige Löcher gebohrt, tragende Elemente und diverse Baustoffe entfernt. Wasserkanonen kämpften gegen die Rachwolken an.
Riesiger Andrang von Schaulustigen
Obwohl spezielle Sperrzonen mit einem Radius von 350 bis 620 Meter eingerichtet wurden, und Hagedorn sowie diverse, lokale Medien davon abrieten, extra für die Sprengungen zum Kraftwerk zu pilgern, fanden sich Tausende Schaulustige in der Umgebung ein, um einen Blick auf die fallenden Landmarken zu erhaschen. Während viele Felder und Freiflächen aufsuchten, kämpften sich andere durch die Wälder, Schonungen, Privatgrundstücke und - sogar auf Häuserdächern konnte man Neugierige und Fotografen entdecken. Im Rahmen dieser nachvollziehbaren Neugierige kam es immer wieder zu Verkehrsbehinderungen und Staus auf den umliegenden Straßen. Polizei, Sicherheitsdienst und Ordner sicherten konsequent die Zugänge zur Sperrzone.
Über 28.000 Tonnen Bauschutt
Am heutigen Montag starten auf dem Knepper-Areal die Aufräumarbeiten. 28.000 Tonnen Bauschutt sind bei den Sprengungen angefallen. Diese sollen in den nächsten drei Monaten entfernt werden. 30 Großgeräte und ungefähr 60 Mann sind dafür im Einsatz. Das mineralische Abrissmaterial soll direkt auf dem Gelände verbleiben und wird für die Nachnutzung verwendet. Die übrigen Materialien führt man der Prozesskette wieder zu. Bevor die Arbeiten jedoch beginnen, setzen sich die Abbruchprofis und die Sprengexperten zusammen um die Sprengungen nachzubesprechen. Ab 2020 wird auf dem Areal mit seinen 580.000 Quadratmetern Fläche ein Gewerbe- und Logistikpark entstehen. Entwickeln wird die Fläche der britische Immobilienkonzern Segro. Mit diesem hat Hagedorn im letzten Jahr ein Joint-Venture gegründet.