Wernigerode (aw). In Anwesenheit von Gesellschaftern, Aufsichtsräten und beteiligten Baufirmen beging die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) das Richtfest für ihre neue Dampflokwerkstatt. Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel, der im vergangenen Herbst schon den offiziellen Startschuss gegeben hatte, freute sich vor Ort über die raschen Baufortschritte beim bislang größten Bauprojekt in der HSB-Geschichte: „Erst vor einem dreiviertel Jahr haben wir hier gemeinsam den Grundstein gelegt. Nun nimmt das Bauvorhaben weiter wie geplant Gestalt an. Die neue Werkstatt ist ein gutes Beispiel dafür, was gelingen kann, wenn alle an einem Strang ziehen“, erklärte Webel und bedankte sich bei allen Beteiligten für ihr Engagement bei der Realisierung des Projekts. Auch Torsten Weil, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, zeigte sich beeindruckt von der zukünftigen Werkstatt für die historischen Dampfrösser: „Die Harzer Schmalspurbahnen machen die Mystik und Magie dieses Naturparadieses zum länderübergreifenden Erlebnis. Doch sie befördern nicht nur Touristen.
Für die Menschen in den angrenzenden Landkreisen in Thüringen und Sachsen-Anhalt sind sie ein Stück Identität und daher auch eine attraktive Alternative zum Individualverkehr. Vor allem das sogenannte „Nordhäuser Modell“, durch das seit mehr als 15 Jahren eine direkte Verbindung mit dem Straßenbahnnetz Nordhausens besteht, macht die Harzer Schmalspurbahnen auch für Pendler attraktiv und stärkt die Mobilität in der Region. Auch wenn die rekordverdächtigen Fahrgastzahlen der vergangenen Jahre durch die Corona-Krise deutlich gedämpft worden sind, bin ich sicher, dass die Harzer Schmalspurbahnen daraus gestärkt und mit Volldampf hervorgehen werden. Mit rascheren und kostengünstigeren Wartungen und dem Erlebnis einer „gläsernen Werkstatt“ liefert die neue Dampflokwerkstatt nachhaltig Antrieb für den Betrieb der Bahn und symbolisiert die Chancen, die in jeder Krise stecken. Der Freistaat Thüringen wird die Harzer Schmalspurbahnen auch in Zukunft nicht nur ideell unterstützen. Der in Vorbereitung befindliche neue Verkehrsvertrag mit einem Zeithorizont bis 2030 zeugt von der Zuversicht, die wir in Thüringen unter anderem auch mit der neuen Dampflokwerkstatt verbinden.“
Der Neubau entsteht derzeit in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wernigeröder Westerntor-Bahnhof und der alten Fahrzeugwerkstatt aus dem Jahre 1926. Dasich diese aus Platzgründen für die spätestens alle acht Jahre fälligen DampflokUntersuchungen nicht eignet und sich darüber hinaus seit geraumer Zeit eine immer zeit- und kostenintensivere Durchführung bei externen Anbietern abzeichnete, wurde die Idee zum Bau einer eigenen Dampflokwerkstatt geboren.
Im Jahre 2015 stimmten die HSB-Aufsichtsgremien dem Vorhaben und dem favorisierten Standort in Wernigerode zu. Noch im selben Jahr erwarb die HSB von der Stadt Wernigerode einen Teil des zentrumsnah gelegenen Ochsenteichgeländes. Die Baugenehmigungen erhielt das kommunale Bahnunternehmen nach Abschluss der Planungen in der ersten Hälfte des Jahres 2019.
Gemeinsam gaben dann am 4. Oktober 2019 Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Webel und Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert, zugleich auch Aufsichtsratsvorsitzender der HSB, den offiziellen Startschuss für die Baumaßnahmen. Begünstigt durch das milde Winterwetter kamen die Arbeiten seitdem in großen Schritten voran. So begann die mit dem Hochbau beauftragte Partnerbau Quedlinburg GmbH bereits im Frühjahr mit der Errichtung des neuen Werkstattgebäudes, dessen bauliche Dimensionen mittlerweile gut erkennbar sind. In das Großprojekt investiert die HSB insgesamt rund 14,5 Mio. Euro. Bei auch weiterhin planmäßigem Verlauf werden die mit Unterstützung der Deutschen Bank sowie der Investitionsbank Sachsen-Anhalt finanzierten Baumaßnahmen im Frühjahr 2021 abgeschlossen sein. Ab 2022 können hier dann die ersten der zwischen 1897 und 1956 gebauten Dampflokomotiven in ihre jeweils über 4.000 Einzelteile zerlegt und untersucht werden.
Sachsen-Anhalts Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann lobte beim Richtfest in seinem langjährigen Wohnort die besondere Verbindung von historischer Dampfloktechnik und moderner Fahrzeuginstandhaltung : „Passend zur HSB geht auch der Bau der neuen Werkstatt unter Volldampf voran. Ich freue mich besonders, dass Besucher künftig dabei zusehen können, wie die historischen Dampfloks in Wernigerode ihre verdiente Frischzellenkur bekommen. Die moderne Werkstatt verbindet Industriegeschichte mit touristischer Erlebniskultur und wird so zu einem attraktiven Anziehungspunkt für Fans historischer Bahntechnik und viele weitere Gäste. Ein weiteres Highlight im Harz, dem touristischen Kraftzentrum des Landes Sachsen-Anhalt!".
Die derzeit größte Baustelle in Wernigerode ist seit Beginn der Arbeiten auch immer wieder ein beliebter Anlaufpunkt für zahlreiche „Zaungäste“, die das Baugeschehen rund um den ca. 2.450 m2 großen und rund vierzehn Meter hohen Neubau interessiert beobachten. Für Einheimische und Gäste der Harzregion wird die neue Dampflokwerkstatt nach ihrer Inbetriebnahme dann auch über einen separaten Eingang zugänglich sein. Dabei können die Besucher von einer erhöhten Galerie aus die Arbeiten an den historischen Lokomotiven beobachten. Neben der eigentlichen Werkstattfunktion entsteht dadurch auch eine neue Attraktion für die „Bunte Stadt am Harz“ und die Harzregion, über die sich Oberbürgermeister Gaffert anlässlich des heutigen Richtfestes sichtlich freute: „Wernigerode und der Harz sind untrennbar mit den Harzer Schmalspurbahnen verbunden. Hunderttausende Gäste, die unsere Stadt besuchen, werden von dem fahrenden Denkmal magisch angezogen. Dass unsere Besucher das Thema Dampfbahn in der Harzregion nun noch unmittelbarer erleben können, ist für Wernigerodes Tourismuswirtschaft von immenser Bedeutung. Die entstehende Dampflokwerkstatt wird die Harzer Schmalspurbahnen für Touristen aus aller Welt noch greifbarer machen und perspektivisch Kosten bei den Instandhaltungen der Loks senken. Wir sind stolz, dass eine weitere beeindruckende Sehenswürdigkeit hier in Wernigerode entsteht.“
Das Bauprojekt reiht sich nahtlos in eine Reihe weiterer Baumaßnahmen der Vorjahre ein. So errichtete die HSB im Jahre 2005 in Wernigerode eine Fahrzeughalle, ein Jahr später folgte die Streckenverlängerung von Gernrode in die Welterbestadt Quedlinburg. Zuvor war bereits im Jahre 2004 das „Nordhäuser Modell“ im thüringischen Südharz erfolgreich etabliert worden, das seitdem mit attraktiven Fahrzeiten und dem Mischbetrieb aus Eisenbahnzügen sowie modernen Zweisystem-Stadtbahnen für hohe Fahrgastzahlen sorgt.