UNESCO-Berater*innen kritisieren Novelle des NRW-Denkmalschutzgesetzes

Symbolfoto. Foto: angieconscious/pixelio

Münster/München (lwl/aw). Nordrhein-Westfalens Welterbe könnte bald auf der Roten Liste der UNESCO stehen. Zu dieser Einschätzung kommt das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS (International Council on Monuments and Sites) in seiner Stellungnahme zum Entwurf für ein neues NRW-Denkmalschutzgesetz. Die Nichtregierungsorganisation kritisiert die Sonderstellung der Kirchen und die "beabsichtigte Schwächung der Landschaftsverbände als zu beteiligende Fachinstitutionen" beim Denkmalschutz. ICOMOS ist von der UNESCO als Berater und Gutachter des Welterbe-Komitees zur Erfüllung der Welterbe-Konvention bestellt.

"Wenn diese Organisation vor einer Gefährdung des Welterbes warnt, dann müssen wir das ernst nehmen", sagt Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, LWL-Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). "Falls ICOMOS feststellt, dass der staatliche Schutz für das Weltkulturerbe nicht ausreicht, betrifft das nicht nur das bestehende Welterbe. Auch zukünftige Bewerbungen sind in Gefahr, wenn freiwillig auf den bestmöglichen Schutz selbst für herausragende Denkmäler verzichtet wird."

Kölner Dom und Corvey auf die Rote Liste?

Eine Gefährdung für den Schutz des Welterbes sieht ICOMOS konkret in der Sonderstellung, die der Gesetzentwurf den Kirchen einräumt. "An die Stelle der Landschaftsverbände sollen bei Entscheidungen über Gotteshäuser nun Sakralausschüsse treten, deren kirchliche und weltliche Vertreter gar keinen Nachweis über ihre Eignung erbringen müssen", heißt es in der Stellungnahme. Und weiter: "Wenn, wie mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf geplant, den Kirchen weitgehende Eigenständigkeit in den Entscheidungen über die Sakralbauten eingeräumt wird, könnte dies nach Einschätzung von ICOMOS dazu führen, dass diese von der UNESCO auf die Rote Liste gesetzt werden."

"Der Kölner Dom, der Aachener Dom oder die Civitas Corvey neben Palmyra oder der Altstadt von Damaskus auf der Roten Liste - eigentlich unvorstellbar," so LWL-Chefdenkmalpfleger Dr. Holger Mertens. "Die Stellungnahme macht deutlich, dass in NRW nun wirklich die Alarmglocken für den Denkmalschutz läuten müssen."

Gegen "Schwächung der Landschaftsverbände"

Weiterer Kritikpunkt der ICOMOS ist die Einschränkung der Beteiligung der Denkmalfachämter bei den Landschaftsverbanden durch den Gesetzentwurf. "Diese beabsichtigte Schwächung der Landschaftsverbände als zu beteiligende Fachinstitutionen mag Entscheidungsprozesse beschleunigen, rechtfertigt jedoch nicht die bewusste Inkaufnahme von Denkmalverlusten aufgrund unsachgemäßer Entscheidungen durch nicht ausreichend besetzte und in Einzelfragen nicht sachkundige sowie überdies weisungsgebundene kommunale Entscheidungsträger", heißt es in der Stellungnahme. Mertens: "Ohne die verbindliche Mitwirkung der Denkmalfachämter am Verfahren stehen die Denkmäler ohne Anwälte da. Damit ist ihr Schutz vor temporären Interessen nicht mehr gewährleistet. Wenn das Gesetz so kommt, ist unser baukulturelles Erbe definitiv in Gefahr."

Den Protest gegen Teile des Gesetzentwurfs unterstützt ein Bündnis aus Verbänden und Organisationen, die sich in den vergangenen Monaten zum Denkmalschutz-Bündnis NRW zusammengeschlossen haben. Neben ICOMOS setzen sich unter anderem die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Interessengemeinschaft Bauernhaus, der Verband Deutscher Kunsthistoriker, die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger und der Westfälische Heimatbund gegen eine Änderung des bestehenden Verfahrens zum Schutz der Denkmäler ein.

Rüschoff-Parzinger: "Die vielen und ganz unterschiedlichen Stimmen machen eines deutlich: Der Entwurf für das neue Denkmalschutzgesetz verfehlt sein wichtigstes Ziel: die Denkmäler zu schützen."