Berlin (pm/aw). Das Präsidium des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz verleiht in diesem Jahr zwölf Persönlichkeiten und Personengruppen, die sich in besonderem Maße um die Erhaltung und Vermittlung des baulichen und archäologischen Erbes verdient gemacht haben, den Deutschen Preis für Denkmalschutz. Der Deutsche Preis für Denkmalschutz ist die höchste Auszeichnung auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik Deutschland. Die Auszeichnung für ein Lebenswerk, der Karl-Friedrich-Schinkel-Ring, wird in diesem Jahr nicht vergeben.
Silberne Halbkugeln
Die Silbernen Halbkugeln erhalten Andrew J. und Christine Hall (Niedersachsen) für ihre vorbildliche Sanierung des Schlossbezirks Derneburg und seiner Umnutzung zu einem Kunstmuseum. Ursprünglich als Nonnenkloster der Augustiner-Chorschwestern im Fürstbistum Hildesheim entstanden, in der früheren Neuzeit als Zisterzienser-Mönchskloster genutzt, fiel die Anlage 1815 als Schenkung an den Minister der Deutschen Kanzlei in London. Dieser erschuf zusammen mit seinem Sohn und dem Hofbaumeister Georg Ludwig Friedrich Laves ein Gesamtkunstwerk der Bau- und Gartenkunst des 19. Jahrhunderts, welches 1974 von Georg Baselitz gekauft und weitergestaltet wurde. Dank der Eheleute Hall, die 2006 sowohl das Ensemble als auch die Kunstsammlung von Baselitz erwarben und mit höchstem ideellen und materiellen Einsatz die Gebäude denkmalgerecht sanierten, ist die Gesamtanlage wieder in vollem Umfang erlebbar und eines der größten Museen zeitgenössischer Kunst der Welt.
Der Verein Alexander-Haus e. V. (Brandenburg) für sein verdienstvolles Engagement um die denkmalgerechte Instandsetzung und den Erhalt des Alexander-Hauses als internationalen Ort der Begegnung im Zeichen der Versöhnung. Das im Jahre 1927 vom jüdischen Arzt Dr. Alfred Alexander errichtete Sommerhaus in Groß Glienicke ist ein bedeutendes Zeitzeugnis für die „Wochenendhausbewegung“ im Großraum Berlin in den 1920er Jahren. Darüber hinaus repräsentiert es drei Kapitel deutscher Geschichte – die NS-Zeit, in der die Familie Alexander Haus und Heimat verlassen musste, die deutsche Teilung, während derer die Grenze durch das Grundstück verlief sowie die Wiedervereinigung, die die Rettung und Sanierung durch den Urenkel der Erbauer ermöglichte. Der in diesem Zusammenhang gegründete Verein sorgte für bauliche Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die Eintragung als Denkmal und öffnet das Haus für eine vorbildliche Denkmalvermittlung und Nutzung als Bildungsort.
Verein Historische Brücke Hartmannshain e. V. (Hessen) für ihren beharrlichen und tatkräftigen Einsatz für die Rettung und Instandsetzung der Brücke über die ehemalige Oberwaldbahn aus dem Jahre 1905/1906. In Hartmannshain befand sich bis 1976 der höchstgelegene Bahnhof in Hessen. Die Basaltsteinbrücke überspannt einen Geländeeinschnitt für die Bahnstrecke. Nach deren Entwidmung verfiel die Brücke, sodass sie zum Abriss freigegeben wurde. Eine Bürgerinitiative–Vorgängerin dieses Vereins – wehrte sich gegen den Beschluss, akquirierte die benötigten Finanzmittel für die Sanierung und half ehrenamtlich bei der Aufbereitung der Geländer, der Bergung und Neuverlegung des historischen Straßenpflasters und bei vielen anderen Arbeiten mit. Dank des tatkräftigen Widerstandes blieb die Brücke nicht nur ein identitätsförderndes Denkmal in Hartmannshain, sondern wurde auch ein Symbol der bürgerschaftlichen Aneignung baukulturellen Erbes.
Initiative Ruine Kocherburg (INKO) im Geschichtsverein Aalen e. V. (Baden- Württemberg) für ihr vorbildliches Engagement um die Bewahrung, den Erhalt und die Erlebbarkeit der mittelalterlichen Ruine Kocherburg in Aalen-Unterkochen. Die auf Befestigungsanlagen aus der Bronze- und Eisenzeit errichtete Anlage wurde 1645 endgültig zerstört. Der 2007 gegründete Verein machte die Reste, die inzwischen als Steinbruch missbraucht und von Wald überwachsen waren, Zeitschicht für Zeitschicht wieder sichtbar. In vier Bauabschnitten über 16 Jahre hinweg haben die Mitglieder Finanzmittel akquiriert, weiterführende Nutzungskonzepte entwickelt und tausende Stunden Eigenleistung in die denkmalgerechte Sanierung investiert. Durch ihre aktive Öffentlichkeits- und Vermittlungsarbeit (Einbindung in Wanderwegrouten, „Ruinen fest“, Ausstellungs- und Vortragsveranstaltungen, etc.) und ihre anhaltenden Pflege- und Unterhaltsarbeiten ist die Ruine heute als ein begehbares Kulturdenkmal sichtbarer Teil der Regionalgeschichte der Ostalb.
Dr. Kamilla Bühring (Sachsen-Anhalt) für ihren außerordentlich hohen persönlichen Einsatz, mit dem sie die denkmalgerechte Instandsetzung des Pfarrhofs in Möckern, der schon 20 Jahre leer stand und verfiel, realisierte. Es ist ihr dabei nicht nur gelungen, das auf das Jahr 1666 datierte Pfarrhaus mit seiner nahezu vollständig erhaltenen, authentischen Ausstattung – als seltenes Zeugnis ländlich- hauswirtschaftlicher Nutzung in Sachsen-Anhalt – wieder in einen baulich guten Zustand zu versetzen, sondern auch die Nebengebäude und den Pfarrgarten liebevoll herzurichten. Ferner widmet sich Frau Dr. Bühring der Denkmalvermittlung, in dem sie Schulklassen in die Geschichte eintauchen lässt, da alle Zeitschichten der letzten Jahrhunderte und ihrer Bewohner ab lesbar geblieben sind. Die gerettete Anlage, steht zukünftig nach sieben jähriger Sanierungszeit öffentlichen und kulturellen Veranstaltungen und damit auch den örtlichen Vereinen und der Gemeinde zur Verfügung.
Dr. Jürgen Herzog (Sachsen) für seine jahrzehntelangen Bemühungen um die Erhaltung und Erforschung der denkmalgeschützten Bauwerke in Torgau. Die über 1000 Jahre alte Stadt Torgau ist reich an einzigartigen Kulturdenkmalen von überregionaler Bedeutung. Sie ist die einzige in ihrem Bestand nahezu vollständig erhaltene kurfürstliche Residenzstadt der Renaissance in Sachsen. Folglich hat Denkmalpflege in der Stadt Torgau eine hohe Bedeutung für die Stadtentwicklung und den Tourismus. Zur Instandsetzung, Erhaltung und Nutzung der reichen denkmalgeschützten Substanz haben in den letzten 30 Jahren viele engagierte Akteure gemeinsam an einem Strang gezogen. Dr. Jürgen Herzog – seit 1990 Vorsitzender des Torgauer Geschichtsvereins – war einer der wichtigsten Initiatoren von Denkmalpflege und Denkmalvermittlung.
Vermittlungspreis
Der Vermittlungspreis wird vergeben an "Die Betonisten" (Rheinland - Pfalz) für Ihren engagierten Einsatz zur Rettung von Bauten der Nachkriegsarchitektur in Mainz , indem sie die Öffentlichkeit für die Qualitäten und Konzepte einer baukulturell und denkmalpflegerisch bedeutenden Epoche sensibilisieren, zum Handeln motivieren und die Debatten mit ihren erfrischenden Vermittlungskonzepten bereichern. 2017 als „Freunde des Mainzer Rathauses“ gegründet, haben diese nicht nur dessen Abriss verhindert, sondern sich auch in der Stadtgesellschaft große Anerkennung erarbeitet. Seit 2019 firmieren sie als „Die Betonisten“, erweitern ihren Fokus auf weitere Bauten der Mainzer Nachkriegsmoderne, verhindern Abrisse und suchen für diese unter Beteiligung der Stadtgesellschaft neue Nutzungen. Sie kooperieren mit anderen Initiativenwie den Architects4Future, mit Gremien und Hochschulen, der Architektenkammer Rheinland-Pfalz und Kulturschaffenden, um mit multimedialen Kampagnen auf die Qualitäten, die Geschichte und der Nachkriegsarchitektur aufmerksam zu machen und deren Image zu verbessern
Medienpreis
Der Medienpreis 2023 wird vergeben an Karsten Gravert (ZDF/3sat)für seine herausragende Fernsehdokumentation „Der antisowjetische Denkmalsturz – Vergangenheitsbewältigung mit dem Presslufthammer“. Da aktuell in Osteuropa Denkmale, Stein- und Bronze-Kolosse verschwinden, die an den Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland erinnern, setzt sich Karsten Gravert differenziert mit der Frage auseinander, wie mit solchen Hinterlassenschaften umgegangen werden soll. An Drehorten in Kiew, Lettland und Berlin bekommt der Film mit einer lebendigen Kamera und authentischen O-Töne n das Thema Vergangenheitsbewältigung im Angesicht des Angriffskrieges zu fassen. Sensibel und kompetent setzt er sich mit dem Wert und Verfallswert von Denkmälern auseinander und plädiert dafür, die Monumente als Zeugnisse einer grausamen Geschichte nicht spurlos verschwinden zu lassen.
Michael Bermeitinger (Allgemeine Zeitung) für seine Print- und Podcast-Reihe "Mainzer Stadtspaziergang“, mit der er einen herausragenden journalistischen Beitrag zum Umgang mit dem baukulturellen Erbe leistet. Er beleuchtete in mittlerweile 210 Folgen Straßenzüge, Stadtviertel und Denkmäler der Stadt mit ihrer Geschichte und ihren Geschichten. Dabei zeigt er, wie vergänglich oder zukunftsweisend, wie kurzsichtig oder weitreichend politische, gesellschaftliche oder auch bau kulturelle Entscheidungen sein können. Dabei wird klar, wie zeitgebunden solche Entwicklungen einerseits, wie visionär oder dauerhaft sie andererseits sein können. Michael Bermeitinger weckt damit bei seiner Leser- und auch Hörerschaft nicht nur Interesse an Geschichte im Allgemeinen und Besonderen, sondern auch an denkmalpflegerischen Maßnahmen und am Erhalt baukultureller Zeugnisse.
Laura Weißmüller (Süddeutsche Zeitung) für ihre Reportage „Die Gralshüter“, die eine exzellente Darstellung des Lebens in u nd mit einem Denkmal wiedergibt und zugleich die Geschichte des von Walter Gropius entworfenen Hauses Auerbach in Jena aus dem Jahre 1924 wiederaufleben lässt. Ebenso anschaulich wie lebendig schildert sie in ihrem Artikel einen Hausbesuch, der sowohl eine Begegnung mit Menschen ist, die einem historischen Bauwerk verfallen sind und durch ihr Engagement dieses erst wieder zum Sprechen und Strahlen brachten, als auch die Geschichte des Hauses Auerbach selbst. In gut 30 Jahren hat das Ehepaar Barbara Happe und Martin Fischer die Villa liebevoll saniert, die Geschichte des Hauses entschlüsselt und die ursprüngliche Innengestaltung weitestgehend wiederhergestellt. Laura Weißmüllers Berichterstattung ist eine informative, aber auch sinnliche Bauherren-Motivation, sich auf ein Denkmal einzulassen.
Kristina Sassenscheidt mit dem Denkmalverein Hamburg e. V. für ihren Podcast „Denkmal im Wandern“, bei dem die Zuhörenden gemeinsam mit Fachleuten im Ohr durch denkmalgeschützte Parks und bauliche Ensembles in Hamburg spazieren. Dabei erfahren sie von den zuständigen Mitarbeitenden des Denkmalschutzamtes, die mit Kristina Sassenscheidt durch Hamburgs vielfältige Baukultur schlendern, zahlreiche Hintergrundinformationen zur Geschichte der Objekte und zu aktuellen Herausf orderungen der denkmalpflegerischen Arbeit. Mit diesem innovativen Format gelingt es ihr, neue und vor allem positive Zugänge zu dem sehr komplexen und oft kontrovers diskutierten Thema Denkmalschutz zu schaffen. Durch das vertrauensvolle Gespräch und die lockere Atmosphäre beim Spazierengehen werden unterhaltsam, aber zugleich auf hohem fachlichem Niveau, geschichtliche Zusammenhänge und denkmalfachliche Hintergründe vermittelt. Der Podcast ist damit ein wichtiger Beitrag für gesellschaftliche Bildung, Beratung und Aufklärung geworden.
Louisa Schwope (Hamburg) für ihren Instagram-Kanal „denkmalanhamburg“, der eindrucksvoll ihr vielfältiges Engagement in der kreativen Vermittlung von Denkmalen an eine junge Zielgruppe wiedergibt. Ihr gelingt es niedrig schwellig durch wirkmächtige Fotos von Denkmalen aller Gattungen Interessierte auf Ihren Instagram-Kanal zu leiten, um dann mit informativen, anekdotischen Texten nah am Objekt über die Geschichte ihrer Stadt aufzuklären und sich über ihr Herzensthema Denkmalschutz auszutauschen. Louisa Schwope engagiert sich auch ganz praktisch für Denkmale, kreiert Ausstellungen und Audiotouren, bespeist monatlich andere Plattformen mit ihrem „Denkmal des Monats“, engagiert sich in Vereinen und vieles mehr. So hilft die gelernte Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin ihren Followern „sehen lernen“, da sie ihre Leidenschaft für den Denkmalschutz mit ihrer Fähigkeit der Wissensvermittlung über moderne Medien auf wunderbare Weise verknüpft.
Die Preisverleihung findet am 6. November um 14:30 Uhr im DASDIE Brettl, Lange Brücke 29, 99084 Erfurt, statt.