Drei Kilometer nördlich des Jüterboger Ortsteils Kloster Zinna befindet sich das ehemalige Militärareal Forst Zinna, das im Osten durch den Verlauf der Nuthe und im Westen durch die neue Bundesstraße 101 sowie die Bahnstrecke Berlin-Halle begrenzt wird. Nach Westen und jenseits der Bahntrasse erstreckt sich der ehemalige Truppenübungsplatz Jüterbog (hist. Schießplatz Jüterbog). 1934 wurde im Rahmen der deutschen Wiederaufrüstung am Rande des Übungsplatzes ein weiteres Truppenlager errichtet. Neben den bestehenden Lagern "Altes Lager" und "Neues Lager" erhielt das neue Militärareal entsprechend chronologischer Folge den Namen "Lager III". Neben dem Truppenlager wurde ein Proviantlager und ein Bahnhof installiert.
Entsprechend mehrerer Quellen war die Schutzstaffel (SS) erster Nutzer des Areals. Die Artillerieschule Jüterbog nutzte das Lager zur Aufstellung von Beobachtungs-Abteilungen für die Artillerietruppe ab 1935. Der Lehrstab T, der Fahrer für Kettenfahrzeuge ausbildete, war ab 1949 ebenfalls hier stationiert. Ergänzt wurde das "Lager III" durch eine Aufstellungsabteilung für die in Jüterbog entwickelte Sturmgeschütz-Waffe (mit einem Artilleriegeschütz bestückte Vollketten-Panzerfahrzeuge der Sturmartillerie). Bis zum Ende der Nazidiktatur waren auf dem Areal auch Teile der in Jüterbog aufgestellten RAD-Infanterie-Division "Friedrich Ludwig Jahn" einquartiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs betrieb die sowjetische Besatzungsmacht auf dem früheren Militärareal der Wehrmacht ein DP-Lager (DP = Displaced Persons), ein Internierungslager, in dem Angehörige verschiedener Staaten oft gegen ihren Willen gesammelt und dann in ihre Herkunftsländer abgeschoben wurden.
Nutzung durch die DVA "Walter Ulbricht"
Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) beanspruchte ab 1947 - entsprechend eines Beschlusses - einige Bereiche des Areals für die gegründete Deutsche Verwaltungsakademie (DVA) "Walter Ulbricht". Dazu gehörten Kino- und Theatersäle, Restauranträume, Sportstätten in einer gefälligen Architektur, um ideale Akademie-Bedingungen zu gewährleisten. Die Einrichtung sollte die politischen Eliten für die schrittweise entstehende Selbstverwaltung der sowjetischen Besatzungszone und der 1949 gegründeten DDR heranbilden. Für die Akademie und den Ausbau der Einrichtung verpflichtete man bedeutende Künstler, darunter der aus Jugoslawien stammende Architekt Selman Selmanagić (1905–1986), ein Vertreter des Dessauer Bauhauses, dieser gestaltete 1947 die Möbel für die Verwaltungsakademie in Forst Zinna.
Nach dem Umzug der Verwaltungsakademie nach Potsdam-Babelsberg beanspruchte die Sowjetarmee das Areal erneut und errichtete eine Neuanlage für ein Baubataillon. Es entstand ein autarkes Militärareal, mit mehreren Verwaltungsgebäuden, Wirtschaftsgebäuden, einem Kino und einem Zoo.
Eisenbahnunfall von Forst Zinna
Am 19. Januar 1988 ereignete sich zwischen Jüterbog und Luckenwalde ein folgenschwerer Unfall. Bei der als "Eisenbahnunfall von Forst Zinna" betitelten Havarie kollidierte ein 36 Tonnen schwerer T-64A-Panzer der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland mit einem Schnellzug auf der Bahnstrecke Berlin-Halle. Im Rahmen einer Fahrübung trainierte ein 19-jähriger kasachischer Panzerfahrschüler, der zum ersten Mal am Steuer eines solchen Fahrzeugs saß, Fahrmanöver mit dem Stahlboliden. In der Abenddunkelheit verständigte sich der Fahrschüler bei laufendem Motor lediglich über den Sprechfunk mit seinem erst 20-jährigen russischen Ausbilder. Letzterer befahl, den ersten Gang einzulegen und eine Rechtskurve zu fahren, wo eine Brücke zum naheliegenden Übungsgelände führte. Der Fahrschüler jedoch erwischte den zweiten Gang und fuhr weiter geradeaus.
Als der Fahrlehrer diesen Schritt bemerkte, befanden sich beide bereits am Rand der Kasernenanlage. Auch die Betätigung des Notschalters des Kettenfahrzeugs konnte das kommende Unheil nicht verhindern, denn der Panzer blieb auf der Bahnstrecke stehen. Sofort konnten beide Soldaten den herannahenden Schnellzug D 716 von Leipzig über Berlin nach Stralsund in unmittelbarer Nähe hören. In diesem saßen in 13 Waggons etwa 450 Reisende. Ungebremst raste der Zug auf das auf den Gleisen stehende Kettenfahrzeug. Durch die Wucht des Aufpralls überschlug sich die 80 Tonnen schwere Lokomotive und schob den Panzer noch 130 Meter vor sich her.
Bei der Havarie wurde die Lok zusammengedrückt, beide Lokomotivführer starben. Weitere vier Passagiere kamen ums Leben, 33 Menschen wurden verletzt. Die Lok, sechs Schnellzugwagen und ein Speisewagen wurden so stark beschädigt, dass sie an Ort und Stelle zerlegt und verschrottet werden mussten. Die Volkspolizei verhörte die Panzerinsassen noch am selben Abend. Hierbei wurden die Sprachprobleme beider Soldaten deutlich. Während Unfälle mit Beteiligung der Roten Armee in der DDR immer verschwiegen wurden, berichteten die DDR-Medien ungewöhnlich ausführlich über den Vorfall. Die Havarie schaffte es bis ins Westdeutsche Fernsehen. Eine Schadensersatzforderung der Reichsbahn nach Abschluss der Aufräumarbeiten in Höhe von rund 13,6 Mio. Mark an die Sowjetarmee blieb unbezahlt. Was mit den beiden Panzerinsassen geschah, ist nicht bekannt.
Konversion des ehemaligen Militärareals
Obwohl Forst Zinna noch heute über zahlreiche Bauten auf einem riesigen Areal verfügt, wurde der größte Teil der militärischen Anlagen und Gebäude bereits im Rahmen der Konversion beseitigt. 2007 begannen die Rückbauarbeiten auf dem Areal. Zukünftig ist geplant, das Areal vollständig zu entsiegeln und zu renaturieren - mögliche Gewerbeflächen möchte man freihalten. Das frühere Proviantlager aus der Wehrmachtzeit - bestehend aus zwei Speicherbauten, einer Lagerhalle, einem Pförtnerhaus und einem Wohnhaus - steht unter Denkmalschutz.
Dokument-Information
Objekt ID: rp-034431
Kategorie: Militär & Militaria
Bundesland: Brandenburg
Standort: keine Angabe
Baujahr: 1934
Denkmalschutz: teilweise
Architekt: keine Angabe
Objekt erfasst: 15.03.2018
Objekt erstellt: 29.09.2018
Letzte Änderung: 29.09.2018
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