SS-Brotfabrik Oranienburg

Im Juli 1939 war das spätere Gelände der SS-Brotfabrik Oranienburg noch als Waldgebiet ausgewiesen. Es gab den Wunsch des Reichsführer SS, bis 1. November 1939 die Bäckerei auf diesem Gelände betriebsbereit zu haben. Dafür sollte ein sofortiger Kahlschlag erfolgen. Als Kapazität waren 100.000 Brote täglich geplant. Eine Abschlagszahlung von 10.000 RM wurde entrichtet, um direkt mit dem Bau beginnen zu können, und die Häftlinge des KZs mussten mit einfachsten Werkzeugen das Fällen der Bäume vornehmen. Die Fertigstellung und der eigentliche Geländekauf verzögerten sich.

Die DAW führte kurz nach ihrer Gründung als erstes Projekt den Bau dieser SS-eigenen Brotfabrik in Oranienburg durch. Die Brotfabrik sollte das Konzentrationslager Sachsenhausen und die in Berlin stationierten Regimenter der SS-Verfügungstruppe, die Leibstandarte-SS „Adolf Hitler“, mit Brot versorgen. Eine Lieferung an die Zivilbevölkerung war nicht vorgesehen.

Die Planung und der Bau dauerte kriegsbedingt fast zwei Jahre, sodass die Produktion erst Ende März 1941 starten konnte. Bis 1943 wurden die Zwangsarbeiter noch täglich aus dem Hauptlager Sachsenhausen zur Arbeit in der Brotfabrik und dem benachbarten Klinkerwerk gebracht. Ab 1943 erfolgte die Unterbringung im Klinkerwerk. Die eingesetzten Häftlinge des „Kommandos Brotfabrik“ wurden für den Einsatz in der Brotfabrik mit sauberer Kleidung ausgestattet und mussten täglich duschen. Das Essen oder Mitnahme von Brot war strengstens untersagt. Der Kaufvertrag des Geländes wurde erst Ende April 1943 beurkundet. Ab 1944 wurden auch andere Konzentrationslager mit Brot beliefert.

Mit Kriegsende fiel das Gelände zur medizinischen Versorgung der ehemaligen Häftlinge erst an die sowjetische Armee. Dabei wurden die Maschinen und Backöfen durch die Russen demontiert. Erst im Mai 1946 konnte der Backbetrieb durch die Konsumgenossenschaft Niederbarnim wieder aufgenommen werden. Es erfolgten Umbauten und ab 1948 der Betrieb als Konsum-Backwarenkombinat Potsdam, Betrieb Oranienburg. 1991 erfolgte die endgültige Abwicklung des Betriebs und der Leerstand folgte.

2005 veröffentlichte der Bäcker Wilhelm Nagel (*1922) seine Biographie mit dem Namen „Kriechen hab ich nie gelernt“. Darin berichtet er, wie er als Häftling aufgrund Wehrkraftzersetzung in der Brotfabrik Zwangsarbeit, ab 1944 als Verantwortlicher für den Brotraum, verrichten musste. Nach der Wiedervereinigung brannte es mehrfach auf dem Gelände und zerstörte Teile des Geländes. Die einsturzgefährdeten Gebäude sind aktuell 2020 ungenutzt und verfallen.

Dokument-Information
Objekt ID: rp-043875
Kategorie: Militär & Militaria
Bundesland: Brandenburg
Standort: Lehnitzschleuse, 16515 Oranienburg
Baujahr: 1939
Denkmalschutz: ja
Architekt: keine Angabe
Objekt abgerissen: nein
Objekt erfasst: 12.08.2020
Objekt erstellt: 02.03.2021
Letzte Änderung: 02.03.2021
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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.