Papierfabrik E. Holtzmann & Cie.

Die E. Holtzmann & Cie. AG galt einst als größter deutscher Papierhersteller und betrieb insgesamt fünf Werke, drei davon im Murgtal, beschäftigte zu Spitzenzeiten über 5.500 Mitarbeiter. Gerade das Murgtal bot beste Voraussetzungen für die Papierindustrie, bot dieses doch neben seinem Waldvorkommen und dem Starkwasser führenden Fluss einer großen Anzahl von Holz verarbeitenden Betrieben sowie Pappe- und Papierherstellern perfekte Rahmenbedingungen. Bereits ab dem 16. Jahrhundert betrieb man in der Region den Holzeinschlag und die Murgflößerei, verbrachte Holz gebunden zu Flößen ins europäische Ausland.

Gegründet wurde die E. Holtzmann & Cie. oHG 1883 von seinem Namensgeber Eugen Holtzmann, gemeinsam mit August Fischer und Johannes Dorn, der 1886 durch Wilhelm Oechelhäuser abgelöst wurde. Im selben Jahr begann die Produktion von Holzschliff, der für die Herstellung bestimmter Papiersorten verwendet wird - ein Jahr später nahm die Papierproduktion den Betrieb auf. Auf dem Areal entstanden über die Jahre neben den Produktionsgebäuden die Hauptverwaltung, Kraftzentrale, Fahrbereitschaft und EDV, Versandbüro und Elektrowerkstatt, eine eigene Wohnsiedlung für die Bediensteten sowie eine Kantine und ein Casino. Da sich das weitläufige Areal der Murgtal-Papierfabriken über die Gemarkungen von damals vier Kommunen erstreckte, verfügte das Unternehmen über eine eigene postalische Anschrift (7566 Weisenbachfabrik).

Im Inflationsjahr 1922 wandelte man die Holtzmann oHG in eine Aktiengesellschaft um, gab nur Aktien in Form von vinkulierten Namensaktien an Familienmitglieder und Verwandte der drei Unternehmensgründer aus. Ab 1938 produzierte man neben Zeitungsdruckpapier auch Illustrationsdruck-, Offset-, Schreib-, Tapetendruck- und Tiefdruckpapier, Scheck- und Additionsrollen sowie Telegrafenrollen. 1950 musste das Werk wegen des Kohlemangels vorübergehend schließen. Als die Medienkonzerne Burda ("Bunte") und Bertelsmann ("Lesering") in die Papierproduktion eingestiegen waren, kaufte sich auch die "Westdeutsche Allgemeine" in Essen in den 1980er Jahren mit einem Viertelanteil an der Papierfabrik Holtzmann ein, um ihren Papiernachschub zu sichern. Zu Glanzzeiten war Fabrik über ein eigenes, etwa 3 bis 4 Kilometer langes Gleis an den Bahnhof Weisenbach angebunden. Diese Gleise sind heute nicht mehr vorhanden.

1994 beschäftigt der Konzern noch 1.656 Mitarbeiter, verbucht hohe Verluste. 1995 wurde das Unternehmen nach der Übernahme durch den schwedisch-finnischen Papierhersteller Stora Enso komplett abgewickelt und das Areal stillgelegt. Lediglich ein Werk betrieb Stora Enso im Murgtal weiter. 2006 verkaufte man auch dieses, nämlich an die Arques Industries AG und führte die Produktionsstätte unter der eigens dafür gegründeten Firma Salto Paper Papiermühle Wolfsheck weiter. 2008 ging das Unternehmen an einen strategischen Investor.

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Dokument erstellt am 05.11.2016
Letzte Änderung am 05.11.2016

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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.