Reichsbahnausbesserungswerk Potsdam

Das Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) Potsdam wurde 1838 mit Eröffnung des Eisenbahnverkehrs zwischen Potsdam und Berlin in Betrieb genommen und galt bis zur Schließung als älteste Eisenbahnwerkstätte Deutschlands. Diese entstand auf dem Gelände des Ritterguts Potsdam. 1850 gingen die Aufgaben der Berliner Werkstatt der Potsdamer Eisenbahn auf die Werkstatt in Potsdam über - das Gelände wurde erweitert, die Ausbesserungsanlagen ausgebaut. 1860 baute man einen neuen Wagenrevisionsschuppen mit 16 Querständen, die alte Maschinen- und Tenderwerkstatt wurde vorübergehend als Dreherei und Schlosserei eingerichtet. 1870 wird das Raw um eine Dreherei, Kessel- und Maschinenhaus, Gelbgießerei und Schmiede erweitert, diese baut man auf dem südlichen Gelände der Lokomotivwerkstatt. Der alte Lokschuppen wurde zuvor abgrissen. Als Ersatz wird ein neuer Halbrundschuppen mit Drehscheibe und 10 Ständen auf dem freien Gelände zwischen Lokomotiv- und Wagenabteilung errichtet.

Um 1880 ist das ehemalige Gelände des Ritterguts Potsdam völlig bebaut, im gleichen Jahr wird das Raw zunächst der Königlichen Eisenbahndirektion Magdeburg unterstellt und geht in das Eigentum des Staates über. 1986 wird der Halbrundschuppen abgebrochen, als Ersatz baut man die Gießerei und das Magazingebäude zu einem Hofwagenschuppen um. Weiter formt man ein Wohngebäude zum Verwaltungsgebäude um, erweitert die Lackiererei und die Stellmacherei. 1894 hält die Elektrizität Einzug - die erste elektrische Vollbahn-Rangierlokomotive nimmt ihren Dienst auf. 1897 erbaut man die Eisenbahnsiedlung "Kolonie Daheim", diese prägt später den heutigen Stadtteil Potsdam-Süd und steht unter Denkmalschutz. Zur Kolonie gehörten ursprünglich etwa 210 Wohnungen für rund 800 Einwohner. Sie umfasste die Häuser Kolonie Daheim 1-37. Jedoch wurden im Zweiten Weltkrieg einige der Häuser (18/19 und 22/23) so schwer zerstört, dass sie abgerissen werden mussten.

Am dem Jahr 1932 firmiert das Werk, das später in "Werk Potsdam" umbenannt wird, als Ausbesserungswerk für Reisezugwagen. 1988 feierte das Raw zum 150. Geburtstag das Eisenbahnfest "150 Jahre Eisenbahnwerkstätten in Potsdam", bei dem Dampfloks und alte Eisenbahnwagen auf dem Gelände und auf dem Bahnhof Potsdam Stadt zu bestaunen waren. 1994 wird der Betrieb heruntergefahren, der Bereich Reisezugwagen fällt weg.

1999 schloß die Deutsche Bahn das Raw - das bis zuletzt unter dem Namen DB Regio-Werk firmierte, den 400 Beschäftigten wurden innerhalb des Unternehmens Ersatzarbeitsplätze im Großraum Berlin angeboten - ein Großteil fand eine neue berufliche Heimat bei der Berliner S-Bahn. Seit dem Jahr 2002 lag das Gelände brach. 2007 kaufte eine Unternehmensgruppe das rund 85.000 Quadratmeter große Gelände um die Fläche einer neuen Nutzung zuzuführen und zu einem attraktiven und lebendigen Stadtquartier zu entwickeln. Entstanden sind und entstehen werden großzügige Wohnungen, ein Hotel- und Boardinghouse, Gebäude für Gewerbe und Handwerker, offene und überdeckte Stellplätze, großzügige Freiflächen und eine Messehalle für Ausstellungen und Kulturangebote. Mit rund 10.000 Quadratmetern wäre diese Messe- und Ausstellungshalle die größte Potsdams.

Doch zumindest aus dem letzten Plan wurde nichts. Bis 2012 lag die so genannte und denkmalgeschützte "Neue Halle" brach, dann kam es zu einem Brand, bei dem ein großer Teil der Werkstatthalle zerstört wurde. Gebrannt hatte es auf dem Gelände bereits 2008 und 2011. Man wollte das Denkmal erhalten, es öffentlich zugänglich machen und den Industriestandort für Lokbau und -wartung museal weiternutzen. Ein Investor stand bereit, die Halle zu sanieren und auf ihre Geschichte hinzuweisen. Im Gegenzug wollte dieser selbige teilweise als Handelsfläche für "Waren des täglichen Bedarfes" nutzen oder verpachten. Erneut ist bis heute nicht passiert. Dann, im April 2014 wurden Planungen laut, bei denen der Eigentümer des Geländes ein Autohaus mit Werkstatt in der "Neuen Halle" ansiedeln möchte. Zusätzlich sei denkbar, auf 300 bis 400 Quadratmetern auch „kleinteilige Versorgungseinrichtungen“ unterzubringen. Man darf also gespannt sein, was passiert.

Quellen: neues deutschland, Potsdamer Neueste Nachrichten, Märkische Allgemeine, albert-gieseler.de

Dokumenten Information
Copyright © rottenplaces 2014
Dokument erstellt am 21.07.2014
Letzte Änderung am 21.07.2014

Vorheriger ArtikelRadioobservatorium Tremsdorf
Nächster ArtikelVergessener Wohnwagen im Hinterhof
André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.