Truppenübungsplatz Senne

In der Senne findet sich seit Ende des 19. Jahrhunderts nördlich von Paderborn am Westrand des Teutoburger Waldes der Truppenübungsplatz (TrÜbPl, TÜPl) Senne. Dieser ist unter britischer Verwaltung, gehört dem Bund und wird von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) vertreten. Zum Truppenübungsplatz-Senne gehört auch der nördlich von Augustdorf gelegene etwa 550 Hektar große Standortübungsplatz Stapel. Die Britischen Streitkräfte betreiben den Übungsplatz gemäß NATO-Truppenstatut. Am Westrand des Truppenübungsplatzes befindet sich weiterhin das Lager Staumühle. Es befindet sich im Eigentum der Bundeswehr und ist nicht ständig mit Truppen belegt, wird aber durch Truppen fast aller NATO-Staaten insbesondere der Benelux-Staaten genutzt.

Ein Teil des Geländes nutzt die Justizvollzugsanstalt Hövelhof. Das Gelände des ehemaligen Stalags wurde Standort des Polizeiausbildungsinstituts „Erich Klausener“. Am Nordrand des Truppenübungsplatz befindet sich in Augustdorf die Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne der Bundeswehr (das alte Nordlager). Die dort stationierten Einheiten u. a. die Panzerbrigade 21 nutzt aber hauptsächlich den Standortübungsplatz-Stapel, der als Panzerübungsgelände ohne scharfen Schuss genutzt wird, und sich nördlich vom Augustdorf befindet.

1817 wurde die Königliche Regierung in Minden vom „General-Commando“ in Münster aufgefordert, Plätze für die jährlichen Manöver zu finden. Hier sollten zudem verschiedene Truppen zusammengezogen oder auch exerziert werden. In Paderborn und Neuhaus gab es 1920 bereits bestehende Kavallerie-Garnisonen sowie ab 1851 mehrere Eskadronen des 1. Westfälischen Husaren-Regiments Nr. 8 (vgl. 15. (Preußisches) Reiter-Regiment und Offizier-Reitschule in Paderborn). Südlich der Strothe am Diebesweg kaufte man Gelände für die Anlegung eines Kavallerie-Exerzierplatzes an, der so eine Gesamtgröße von 15 Hektar hatte.

1888 beantragte man beim Kriegsministerium in Berlin die Erweiterung des bisherigen Platzes zu einem Kavallerie-Übungsplatz mit einer Größe von 400 Hektar. 1891 wandelte die königlich preußische Armee den Platz in eine Truppenübungsplatz um und nahm den „Allgemeinen Militärübungsplatz“ in Betrieb. Eingerichtet wurde das 35 km² große Senne-Areal vom VII. Armeekorps mit Stabssitz in Münster.

Da der Truppenübungspplatz zum Sperrgebiet umfunktioniert wurde, mussten 49 Haus- und Hofbesitzer ihre Heimat verlassen. Im Norden der Gemeinde Neuhaus enstand eine neue Kaserne für die übende Truppe, zunächst nicht mehr als aus Zelten bestehend, das spätere Südlager, die danach ständig erweitert wurde und es entwickelte sich der neue Ortsteil Sennelager. Ab 1901 wurde ein weiteres Lager, das Neue Lager, (nicht zu verwechseln mit der später kurzzeitig auch als Neues Lager bezeichneten GFM-Rommel-Kaserne bei Augustdorf) angelegt, das nun in Steinbauweise angelegt wurde.

Ab 1914 entstand am Haustenbach etwa fünf Kilometer nördlich von Sennelager das Lager Staumühle. Neben der Funktion als Gefangenenlager im Ersten Weltkrieg wurden ab 1916 im Lager Staumühle Reserve-Infanterie-Regimenter aufgestellt und diente der Ausbildung des Offizierskorps. Als Kriegsgefangenenlager diente auch das im Weltkrieg angelegte Waldlager bei Sennelager. Nach dem verlorenen Krieg wurde die Übungstätigkeit zunächst vermindert, da die Reichswehr auf 100.000 Mann begrenzt wurde. Das Lager Staumühle diente in der Zeit von 1925 bis 1932 als Kinderdorf.

Ab 1928 entstand im nördlichen Anschluss an das Südlager auf einer Fläche von 70 Hektar eine Munitionsanstalt. Bis 1935 gehörte die „Muna“ als Zweigstelle zur Heeres-Munitionsanstalt in Scheuen bei Celle. Danach erhielt sie eine eigene Verwaltung, und wurde weiter ausgebaut. Am 23. Februar 1945 wird die Muna erstmals bombardiert, am 29. März stellt sie den Betrieb ein und am Ostersonntag den 2. April 1945, ab etwa 16:00 Uhr wird die Muna gesprengt. Durch die Druckwelle gingen bis ins acht Kilometer entfernt liegende Schlangen Fensterscheiben zu Bruch.

Ab 1935 wurde das Lager Staumühle und der gesamte militärische Komplex rund um die Senne massiv ausgebaut; Staumühle fasste jetzt Truppen in Regimentstärke und mehr. Im gleichen Jahr wurde an der Kreuzung Panzerstraße und Alte Bielefelder Poststraße der sogenannte Heidebahnhof errichtet, welcher eine funktionslose Gebäudeattrappe ist und als Landmarke dient. Der Heidebahnhof wurde 1974 durch das Truppenübungsplatz-Kommando der Bundeswehr restauriert. Bis 1936 wurde der Übungsplatz in mehreren Etappen auf etwa 41 km² erweitert, wobei ab 1934 südlich vom Haustenbeck am Roten Bach auch eine Panzerversuchsstation, die auch ein Tauchbecken für Panzer hatte, gebaut wurde. Diese nahm als Panzerversuchsanstalt in der Wüstung Haustenbeck 1935 ihren Dienst auf.

Das Reichsamt für Landbeschaffung erteilte 1936 der Reichsumsiedlungsgesellschaft (Ruges) in Berlin, die im gesamten Reichsgebiet damit beauftragt war, Ankäufe für Kasernenanlagen und Truppenübungsplätze zu tätigen, die Order, eine Zweigstelle in Sennelager einzurichten. Mit Erlass vom Oberkommando des Heeres vom 21. Januar 1937 wurde weiteres Gelände zwischen Augustdorf und Haustenbeck als Landwehrübungsplatz in den Truppenübungsplatz einverleibt, in Augustdorf entstand eine weitere Kaserne, das Nordlager. Damit lag Haustenbeck wie ein Schlauch zwischen den beiden Übungsplatzbereichen, was für den Übungsbetrieb sehr hinderlich war. Nachdem 1935 bereits zwei Hofstätten im Süden von Haustenbeck geräumt werden mussten, wurde 1938 beschlossen, das gesamte Dorf Haustenbeck aufzukaufen. Bis Ende 1939 war fast das gesamte Dorf geräumt.

Ebenfalls ab 1936 entstand nördlich von Augustdorf der Übungsplatz Stapel, hier musste nur ein Anwesen geräumt werden. In die Erweiterung des Truppenübungsplatz fielen auch rund 1270 Hektar Forstflächen des Teutoburger Waldes. 1941 entstand am Nordwestrand des Truppenübungsplatzes in Stukenbrock-Senne das Kriegsgefangenenlager Stalag 326. In diesem Lager kamen bis zur Befreiung 1945 etwa 65.000 (Zahlen nicht gesichert) überwiegend sowjetische Kriegsgefangene ums Leben. Auch im Lager Staumühle wurden ab 1941 vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene untergebracht.

Zu Ende des Zweiten Weltkriegs fiel der Truppenübungsplatz an die US-Armee. Abwehrkämpfe bei Augustdorf in der Dörenschlucht durch u. a. SS-Einheiten konnten die in den Raum Senne eingedrungene 3. US-Panzerdivision in der „Panzerschlacht bei Paderborn“ nicht zurückwerfen, obwohl deren Kommandeur General Rose in der Nähe von Schloss Hamborn gefallen war. Im Internierungslager Staumühle sowie im ehemaligen Stalag 326 errichtete man nach dem Krieg ein Internierungslager für führende Nationalsozialisten aus der Britischen Besatzungszone. Auch im Nordlager waren bis zu ihrer Repatriierung ehemalige Kriegsgefangene untergebracht.

Nachdem der Truppenübungsplatz am 3. April 1945 zunächst in die Hände der United States Army fiel, übernahm am 1. August 1945 die britische Besatzungsmacht den Truppenübungsplatz und requirierte weiteres Gelände im Norden von Oesterholz sowie weite Teile des Teutoburger Waldes bis in die Nähe der Orte Berlebeck und Hiddesen einschließlich des Geländes um das Jagdschloss Lopshorn und das Forsthaus Hartröhren, die beide am 11. Juni 1945 durch Brandstiftung umherziehender ehemaliger sowjetischer Kriegsgefangener ein Raub der Flammen wurden. Nachdem 1945 in und um Paderborn alle Wehrmachtkasernen von der britischen Armee übernommen wurden, bauten die Briten im Jahre 1951 am Südrand des Truppenübungsplatzes eine weitere Kaserne zur Unterbringung eines Panzerregiments. Sie erhielt den Namen Athlone Barracks. Ebenfalls entstanden bis 1951 in Sennelager auf dem Truppenübungsplatz, in der Nähe von Thune und Grimke, etwa 200 Wohnungen für verheiratete britische Soldaten und deren Familien.

Bis 1955 wurde der zum südlichen Teil des Truppenübungsplatzes gehörende Flugplatz Bad Lippspringe von den Vorgängervereinen der Luftsportgemeinschaft Paderborn mit genutzt. Es wurde dort Segelflug und Motorflug betrieben. Nach dem Wegzug der Luftsportgemeinschaft auf den damals noch existierenden Flugplatz Paderborn-Mönkeloh wurde der Platz ausschließlich von der RAPA, der Rhein Army Parachute Association, einer von zwei Betreuungs- und Ausbildungseinrichtungen der britischen Streitkräfte für den Fallschirmsport, genutzt. Hauptsächlich finden dort bis heute Fallschirmabsprünge und die dazugehörigen Absetzflüge statt.

Ab 1956 übte als erste deutsche Truppeneinheit ein Grenadierbataillon aus Höxter wieder in der Senne. 1957 bezog der erste Verbindungsoffizier der Bundeswehr das britische Truppenübungsplatz-Hauptquartier in Sennelager. Nachdem der Truppenübungsplatz von der neugegründeten Bundeswehr mit benutzt wird, wurde eine Neuordnung der Schießbahnen angeordnet, so erhielten die Schießbahnen, die zuvor alle englische Namen trugen, jetzt Buchstaben. Ende der 50er Jahre wurden große Bereiche des Teutoburger Waldes an ihre Besitzer wieder zurückgegeben, nur das Gebiet um Lopshorn und Hartröhren bei Oesterholz blieb innerhalb des Truppenübungsplatzes. Ebenfalls wurde 1960 in Schloß Neuhaus, im Bereich Thuner Weg und Habichtsee, Gelände an die Gemeinde zurückgegeben, die dort anschließend Bauland schaffte. Im seleben Jahr kam das Aus für Hövelsenne. Grund dafür, dass damals ein Großteil von Stukenbrock-Senne aus der geplanten Erweiterung des Truppenübungsplatz herausgenommen wurde, ist die Tatsache, dass bei Umsetzung der ursprünglichen Pläne der sowjetische Ehrenfriedhof innerhalb des Truppenübungsplatzes gelegen hätte. Das traute man sich dann doch nicht. Damit mussten die Bewohner, die ihre Heimat jetzt endgültig auf dem Gebiet des Truppenübungsplatz hatten, umgesiedelt werden.

Geräumt wurden bereits 1959 der Heimathof, eine Einrichtung der v. Bodelschwinghsche Anstalten Bethel, bis 1971 die Randsiedlung-Haustenbeck westlich von Oesterholz gelegen, bis 1972 zahlreiche Einzelgebäude auf dem östlichen Stukenbrock-Senner Gebiet, sowie bis 1974 fast das gesamte Dorf Hövelsenne. Nachdem die Bewohner die Gebiete verlassen hatten, wurden dort mehrere Schießbahnen sowie im Westen und Norden die Panzerstraße von Staumühle an der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne vorbei zum Standortübungsplatz Stapel errichtet. Seit 1962 umfasst der Truppenübungsplatz etwa 116 km² und zählt damit zu den mittelgroßen Truppenübungsplätzen in Deutschland.

Am 26. Juni 1963 ereignete sich ein schwerer Unfall auf dem Truppenübungsplatz. Eine Transportmaschine der belgischen Luftwaffe wurde von einer Mörsergranate getroffen und stürzte ab. Bei diesem Unglück starben 38 Soldaten. Neun Fallschirmjäger können sich aus der abstürzenden Maschine retten. Im Herbst 1989 wurden im Lager Staumühle mit Unterstützung der Bundeswehr aus Augustdorf 1360 Flüchtlinge aus der Deutschen Demokratischen Republik aufgenommen.

Quelle: Wikipedia, privat

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Dokument erstellt am 24.10.2016
Letzte Änderung am 24.10.2016

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André Winternitz, Jahrgang 1977, ist freier Journalist und Redakteur, lebt und arbeitet in Schloß Holte-Stukenbrock. Neben der Verantwortung für das Onlinemagazin rottenplaces.de und das vierteljährlich erscheinende "rottenplaces Magazin" schreibt er für verschiedene, überregionale Medien. Winternitz macht sich stark für die Akzeptanz verlassener Bauwerke, den Denkmalschutz und die Industriekultur.