Sie sind wahre Zeugnisse vergangener Kulturgeschichte, imposante Kathedralen der industriellen Revolution. Gerade im Zuge des Strukturwandels der Schwerindustrie und Montanindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg rückte die Industriegeschichte als schützenswerte kulturelle Leistung – über den rein ästhetischen Wert der Ingenieurskunst hinaus – in den Blickpunkt der Denkmalpflege. Über die Jahre entdeckte man – zuerst visuell, später experimentell – dass in Europa eine Vielzahl von Industriedenkmälern mit einer zeittypischen Industriearchitektur existiert, die unbedingt erhalten werden mussten. Typische Beispiele waren und sind das Ruhrgebiet und das Saarland mit Zeugen der Montanindustrie, der sehr stark vom Maschinen- und Fahrzeugbau geprägte Raum Chemnitz-Zwickau, Katalonien, Nordengland, Ostfrankreich und Norditalien mit Textil- und Maschinenbauindustrie.
In unserem mehrteiligen Spezial präsentieren wir Ihnen – oder sagen wir besser, empfehlen wir Ihnen – besondere Leuchttürme vergangener Epochen der Industriegeschichte, die heute beispielhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Ein Besuch lohnt hier zu jeder Jahreszeit. Weiter geht es mit dem 3. Teil.
Kalkwerk Hammerunterwiesenthal
Das Kalkwerk Hammerunterwiesenthal war ein Kalk-Bergwerk südlich der sächsischen Gemeinde Bärenstein im Erzgebirge. 1943 wurde Bruch III ausgehend von Bruch II durch den „Tiefen Wasserlösestolln“ erschlossen, im selben Jahr erfolgte der Anschluss von „Schreiters Lager“ an Bruch I über einen Förderstolln, gleichzeitig begannen die Gewinnungsarbeiten nördlich dieses Lagers. 1952 begannen die untertägigen Gewinnungsarbeiten im Bruch II, 1957 wurde hier der Tagebau eingestellt. 1961 wurde der Abbau im Südteil des „Schreiterschen Lagers“ eingestellt, nachdem bereits 1954 der Abbau im Nordteil eingestellt worden war. Seit 1992 ist es Reservelagerstätte der „GEOMIN Erzgebirgische Kalkwerke GmbH“, die zur Sicherung der Lagerstätte zurzeit untertägige Verwahrungsarbeiten in vom Altbergbau beeinflussten Bereichen durchführt. Der Kalkofen ist heute ein sächsisches Kulturdenkmal.
Atomei - Forschungsreaktor München
Der Forschungsreaktor München (FRM) in Garching bei München wurde am 31. Oktober 1957 als erster Forschungsreaktor in Deutschland in Betrieb genommen. Er gehört zur Technischen Universität München (TUM). Der Reaktor wurde am 28. Juli 2000 um 10:30 Uhr abgeschaltet. Er wurde durch die benachbart liegende Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (Forschungsreaktor München II) ersetzt. Wegen seiner von Gerhard Weber entworfenen eiförmigen Kuppel, oft als Garchinger Atom-Ei bezeichnet, die auch Bestandteil des Wappens der Stadt Garching im Landkreis München ist, steht der Reaktor unter Denkmalschutz. Der Anblick der Einrichtung rechts der Autobahn nach Nürnberg kurz vor der Ausfahrt nach Garching ist charakteristisch. Das „Ei“ soll entkernt, das heißt, die radioaktiven Bestandteile sollen aus dem Inneren entfernt werden. Danach soll es als Nebengebäude für die Neutronenquelle dienen. Die Zeit für den Rückbau wurde 2014 auf 10 bis 15 Jahre veranschlagt.
Koepchenwerk
Das am Hengsteysee gelegene Koepchenwerk ist eines der ersten Groß- Pumpspeicherkraftwerke Europas. Es wurde in den Jahren 1927 bis 1930 von dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk AG (RWE) Essen nach Plänen ihres damaligen technischen Direktors Dr. Arthur Koepchen errichtet. Das Pumpspeicherkraftwerk galt seinerzeit als technische Pionierleistung und war mit einer Leistung von 132 Megawatt das größte Pumpspeicherkraftwerk Europas. 1980, nach einem Störfall, galt die notwendige Modernisierung als nicht rentabel. In den 1990er-Jahren wurde daher in unmittelbarer Nachbarschaft ein modernes Pumpspeicherkraftwerk gebaut. Gegen die Abrissplanungen der RWE AG für das historische Kraftwerk formierte sich in der Bevölkerung größerer Widerstand. Die sechs Meter hohen Buchstaben „RWE“ auf dem Schieberhaus waren so stark verwittert, dass sie nicht mehr instandgesetzt werden konnten. Sie wurden in der stiftungseigenen Werkstatt nach historischem Vorbild rekonstruiert.
Nieverner Hütte
Die Nieverner Hütte ist eine ehemalige Eisenhütte auf der heute zu Fachbach an der Lahn gehörenden Insel Oberau (ehemals Nievern). Die Nieverner Hütte wurde 1671 durch Peter Michael Mariot, Gottfried Eberhard Nottemanns und Gerhard Frank Bouille gegründet. Ursprünglich wurde hier Eisenerz, zunächst mit Holzkohle und später mit Koks, zu Roheisen verhüttet. Nach 1882 wurden die Hochöfen stillgelegt und die Hütte in eine Eisengießerei umgewandelt. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise und wegen der Verdrängung von Gusseisen durch Aluminium und Stahl wurde die „Frankschen Eisenwerke Nieverner Hütte“ 1932 geschlossen. Auf dem Gelände siedelten sich Gewerbebetriebe an. Während des Zweiten Weltkriegs wurden hier Rüstungsgüter produziert, was die Insel zum Ziel alliierter Luftangriffe machte.
Kahnhebehaus Halsbrücke
Das Kahnhebehaus des Churprinzer Bergwerkskanal gilt als ältestes Schiffshebewerk der Welt. Auf dem Kanal wurde Erz von den im Verlauf gelegenen Gruben zur Weiterverarbeitung zu der flussaufwärts gelegenen Hütte Halsbrücke transportiert. Die Gesamtheit des Kanals – mitsamt Schleusen und Hebewerken – zeigt die im 18. Jahrhundert herausragende Rolle des Bergbaus für die technische Entwicklung überhaupt. Mit seinem Bau konnten gleichzeitig die Teilbereiche Energieversorgung, Wasserhaltung, Erzaufbereitung und Transport optimiert werden, womit er gleichsam Zeugnis eines komplexen Verbesserungsgedankens ist. Die Erzkähne wurden ausgehend vom Unterwasser des Stichkanals aus der Freiberger Mulde mittels fünffacher Flaschenzüge, die an Laufkatzen angehängt wurden, etwa sieben Meter gehoben und anschließend auf das Oberwasser des Kanalabschnittes bis Halsbrücke gesetzt. Das Heben wurde durch sechs Mann – d. h. die Besatzungen zweier Kähne – ausgeführt und dauerte etwa eine Stunde.
Eiserner Steg (Frankfurt am Main)
Der Eiserne Steg ist eine seit 1868 bestehende Fußgängerbrücke über den Main in Frankfurt zwischen der Altstadt (Fahrtor, Historisches Museum) und dem Stadtteil Sachsenhausen (Schul-/Schifferstraße, Krankenhaus Sachsenhausen). Die erste Ausführung wurde 1912 durch eine verbreiterte und verstärkte Konstruktion ersetzt, die außerdem höher gelegt wurde. Nach der Sprengung in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges wurde diese 1946 unverändert wieder aufgebaut, 1993 aber anlässlich einer Renovierung nochmals etwas höher gesetzt. Am Eisernen Steg befand sich von 1859 bis 1913 der Haltepunkt Frankfurt (Main) Fahrtor der Verbindungsbahn. Seitdem werden die Gleisanlagen für den Güterverkehr der Frankfurter Hafenbahn genutzt. 1945 wurde die Verbindungsbahn allerdings wegen der Zerstörung der Mainbrücken auch für kurze Zeit wieder für den Personenverkehr reaktiviert. Seit 1979 verkehrt hier an mehreren Wochenenden im Jahr die Historische Eisenbahn Frankfurt mit ihren Dampfzügen.
Kleiner Preuße
Der Leuchtturm Kleiner Preuße wurde 1906 am Deich des Wremer Granatkutterhafens als Quermarkenfeuer errichtet. Aufgrund seiner geringen Größe und seines schwarz-weißen Anstrichs erhielt er seinen Namen. Im Jahr 1930 wurde er wieder abgebaut, nachdem er wenige Jahre einen rot-weißen Anstrich getragen hatte. Ein Nachbau des Kleinen Preußen steht seit April 2005 auf dem Kajenschutzdeich am Ende des Wremer Hafens und wird vom Heimatkreis Wremen betreut. Der Nachbau hat sich zu einer Touristenattraktion entwickelt. In der Saison ist der Turm bei gutem Wetter geöffnet und kann bestiegen werden, auch Hochzeiten können dort abgehalten werden.
Waldeisenbahn Muskau
Die Waldeisenbahn Muskau (WEM) ist eine im Freistaat Sachsen gelegene Schmalspurbahn mit einer Spurweite von 600 mm. Der Muskauer Standesherr Graf Hermann von Arnim ließ 1895 zur Erschließung der Wälder und Rohstoffvorkommen im Umfeld von Muskau und Weißwasser eine Pferdebahn mit einer Spurweite von 600 mm anlegen. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte man aus Beständen der deutschen Heeresfeldbahn Lokomotiven und Wagenmaterial übernehmen. Die Fahrzeuge bildeten bis zur Betriebseinstellung der Bahn das Rückgrat. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm 1951 die Deutsche Reichsbahn in der DDR Anlagen und Betriebsführung. Ab 1984 begann ein Verein Zeugnisse der einstigen Waldbahn zu erhalten. Am 8. September 2013 fuhr letztmals ein Zug auf der Strecke der Tonbahn von Weißwasser zur Wagenübergabestelle Mühlrose.
Trudelturm
Der rund 20 Meter hohe Trudelturm im Berliner Ortsteil Adlershof, der auch „Trudelwindkanal“ genannt wurde, ließ die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) zwischen 1934 und 1936 am ehemaligen Flugfeld Berlin-Johannisthal errichten. Es steht neben einem gleichfalls denkmalgeschützten, rund 130 Meter langen Großen Windkanal aus den gleichen Jahren. Beide sind als Teil des früheren Standortes der DVL in der Berliner Landesdenkmalliste eingetragen. Der Turm stellte bei seiner Errichtung eine „absolute technische Innovation“ dar, mit der erstmals der gefährliche Zustand des Trudelns im Labor simuliert werden konnte. Die Versuche halfen, die komplexen Prozesse beim Trudeln besser zu verstehen. So wurde ermittelt, wie führerlos zur Erde „torkelnde“ Flugzeuge abzufangen und wieder zu beherrschen sind. In einen vertikalen (von unten nach oben verlaufenden) Luftstrom konnte ein (präzise gefertigtes) Modell so eingebracht werden, dass es stets auf Höhe der Beobachtungseinrichtung flog und dabei von Hochgeschwindigkeitskameras gefilmt werden konnte. Die Geschwindigkeit des Luftstroms konnte so reguliert werden, dass sie der Fallgeschwindigkeit des Modells entsprach. Die Einbauten sind heute nicht mehr vorhanden.
Pfrimmtalviadukt
Der Pfrimmtalviadukt, umgangssprachlich auch als Marnheimer Brücke bezeichnet, war eine Eisenbahnbrücke bei Marnheim im rheinland-pfälzischen Donnersbergkreis. Sie wurde als Steinbogen- und Fachwerkbrücke zwischen 1872 und 1874 erbaut, war 260 m lang, 30 m hoch und führte die Donnersbergbahn vom Hungerberg über das Tal der Pfrimm zur Zellertalbahn, die heute noch an Wochenenden in Betrieb ist. Die Brücke steht unter Denkmalschutz und bildet das „Tor zum Zellertal“. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Brücke am 20. März 1945 von sich zurückziehenden Truppen der Wehrmacht gesprengt. Nach dem Krieg gab es Bestrebungen den Viadukt wieder zu errichten, doch scheiterte dies – ebenso wie eine Neutrassierung ohne Viadukt – an den Kosten. Zudem hatte die Bahn den Verkehr auf Busse umgestellt.