Berlin - Bundeshauptstadt, Millionenmetropole, bevölkerungsreichste Stadt Deutschlands, 365 Tage im Jahr Party, Events und Nachleben jenseits des Gewöhnlichen. Klaus Wowereit ("Arm aber sexy", 2001 bis 2014 reg. Bürgermeister von Berlin; Anm. d. Red.), bezeichnete die Hauptstadt einst als eine der meistbesuchten Zentren des Kontinents. Er sollte recht behalten. Berlin gilt als Weltstadt der Kultur, Politik, Medien und Wissenschaften. 12,7 Millionen Touristen besuchten alleine 2016 die Hauptstadt. Damit ist Berlin nach London und Paris das bevorzugte Reiseziel innerhalb Europas.
Immer mehr Touristen, Abenteurer, Fotografen und Neugierige finden den Weg nach Berlin - allerdings nicht, um die zahlreichen Messen, das Nachtleben oder die kultigen Sehenswürdigkeiten zu besuchen, nein, sie bewegen sich abseits der offiziellen Pfade. Denn Berlin verfügt über Hunderte Bauwerke, die seit der Kaiserzeit, dem Nationalsozialismus, der kommunistischen Diktatur zu DDR-Zeiten sowie nach dem Kalten Krieg verfallen und mehr oder weniger bei den heranwachsenen Generationen in Vergessenheit geraten. Genau diese Gegebenheiten ziehen jährlich Tausende Menschen in die vergessenen Gemäuer der Stadt.
Wir möchten Ihnen die meistbesuchten, verlassenen Orte in Berlin ans Herz legen. Wenn Sie selbst noch nicht vor Ort waren, oder folgende Objekte nur durch TV-Dokumentationen oder von einschlägigen Onlinemedien kennen, dann laden wir Sie herzlich zu diesem ersten Teil ein.
Die 10 meistbesuchten, verlassenen Orte in Berlin
Abhörstation Teufelsberg
Nach den Arkenbergen gilt der Teufelsberg (ein Trümmerberg) im Berliner Ortsteil Grunewald (Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf) als die zweithöchste Erhebung des Stadtgebiets. Auf dieser befinden sich die markanten Bauten einer ehemaligen Flugüberwachungs- und Abhörstation der US-amerikanischen Streitkräfte. Nach dem Abzug der Militärs wurde die Anlage von 1991 bis 1999 als Flugsicherungsradar-Station genutzt. Seitdem stehen die Gebäude leer und verfallen, zumindest noch teilweise.
Spreepark
Seit mehr als 15 Jahren verfällt der ehemalige Spreepark im Plänterwald in Berlin. Von einem Ausflugsmagneten entwickelte sich das Areal zu einem Schandfleck. 1969 wurde der Park unter dem Namen Kulturpark Plänterwald eröffnet und war mit jährlich etwa 1,7 Millionen Besuchern der einzige Freizeitpark der DDR. Nach der Wende gestaltete man 1991 das Areal zu einem Freizeitpark nach westlichem Vorbild um. Ab 1999 kämpfte man mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Besucherzahlen brachen drastisch ein. 2002 wurde der Park geschlossen. 2014 kaufte das Land Berlin das Areal lastenfrei zurück. Erst als sich die landeseigene Grün GmbH dem Areal annahm, konnte der marode Freizeitpark aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden.
Wernerbad
1901 eröffnete die Gaststätte „Badeschlösschen“, das Wernerbad wurde 1904 erbaut und 1905 als „Freibad Wernersee“ eröffnet, damals noch als natürliches Gewässer – als sogenanntes Toteisloch. Damit gilt es als ältestes Freibad Berlins. Doch lange vorbei sind die Zeiten, als sich die Menschen auf der Wiese sonnten, im Schwimmbecken ihre Runden drehten, oder sich einfach in der Gaststätte des Bades tummelten. Der Förderverein „Freunde des Wernerbades“ kämpfte lange Zeit engagiert um den Erhalt des Bades. 2002 schlossen die Berliner Bäderbetriebe (BBB) das Bad nach acht Jahren Stillstand. Bis Ende 2017 sollte das Areal verkauft werden.
Bärenquell Brauerei
Die Bärenquell Brauerei entstand in unmittelbarer Nachbarschaft zu der historischen Ausflugsgaststätte Neuer Krug - als die von Max Meinert und von Kampfhenkel 1882 gegründete Brauerei Borussia. 1898 wurde die Borussia-Brauerei durch die Schultheiss-Brauerei AG aufgekauft, die den Standort als Brauerei Schultheiss, Abteilung IV fortführten und erweiterten. 1949 erfolgte die Umbenennung in Schultheiss-Brauerei Niederschöneweide, 1954 schließlich in VEB Schultheiss-Brauerei Niederschöneweide. Die Treuhandanstalt übernahm nach dem Ende der DDR 1990 den Volkseigenen Betrieb und privatisierte ihn als Bärenquell Brauerei Berlin GmbH. Ein Jahr später erwarb die Henninger Bräu AG die Marke und führte die Produktion am Standort Niederschöneweide zunächst weiter fort.
1993 stellte noch die Henninger Bräu AG einen Bauantrag, für den einige historische Gebäude hätten weichen müssen, der vom Bezirksamt Treptow mit dem Verweis auf den Denkmalschutz abgelehnt wurde. 1994 wurde schließlich die Bierproduktion ganz eingestellt. Viele Jahre geschah nichts auf dem riesigen Areal. 2017 kaufte ein Capital-Management-Konzern das Brauerei-Areal um selbiges zu entwickeln.
Olympisches Dorf Berlin
Das Olympische Dorf Berlin - erbaut für die Olympischen Sommerspiele 1936, befindet sich 18 Kilometer westlich des Berliner Olympiastadions und liegt eigentlich schon im Bundesland Brandenburg. Hier wohnten während der Spiele die rund 3.600 männlichen Athleten mit Betreuern und Personal. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm die sowjetische Armee das Areal und nutzte es bis zum Abzug 1992. Das Haus der Nationen, die ehemalige Schwimmhalle und einige Mannschaftsunterkünfte sind noch heute ein Publikumsmagnet. Die Schwimmhalle wurde 1993 durch Brandstiftung stark beschädigt und 2011 äußerlich wieder rekonstruiert. In den 2010er Jahren wurde das Haus rekonstruiert, in dem Jesse Owens während der Olympischen Spiele 1936 wohnte.
Kinderkrankenhaus Weissensee
Das Kinderkrankenhaus Weissensee wurde 1911 mit einem Festakt eingeweiht. Zu Therapiezwecken war die Klinik in einen gestalteten Park eingebunden und verfügte über einen mit dem Hauptgebäude verbundenen Hörsaal für werdende Mediziner. Ein Novum für die damalige Zeit war die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Krankenhaus gelegene „Milchkuranstalt“. Das Krankenhaus überdauerte alle Krisen, 1987 wurde es durch den Anbau eines Bettenhauses erweitert. Weitere zehn Jahre später erfolgte auf Beschluss des Senats 1996 die Schließung der traditionsreichen Einrichtung. Es verblieb lediglich als denkmalgeschützte Immobilie. Seit 1997 ist das ehemalige Krankenhauses der Gemeinde Weißensee mit allen Wirtschaftsgebäuden ungenutzt und dem Verfall preisgegeben. Alle Sanierungspläne scheiterten bisher kläglich.
Institut für Anatomie der FU Berlin
1929 errichtet Ernst Huntemüller das heutige Gebäude des Instituts für Anatomie der Freien Universität Berlin (FU). 1948 gründet sich im amerikanischen Sektor mit einem Neubau die Freie Universität und hält somit gleich zwei medizinische Fakultäten. 1949 eröffnet man das Gebäude als Anatomisches Institut. Im Jahre 2003 fusionieren die Einrichtungen der medizinischen Fakultäten der Freien und der Humboldt-Universität zur „Charité – Universitätsmedizin Berlin“. Im Jahr 2005 schloss man das Institutsgebäude. 2008 wollte eine große deutsche Handelskette hier ein Einkaufzentrum errichten. Als 2010 konkrete Planungen bekannt wurden, machte der Bezirk den Plänen einen Strich durch die Rechnung und untersagte dem Investor die Genehmigung. Beide Parteien zogen vor Gericht. 2012 scheiterte das Unternehmen vor dem Verwaltungsgericht. Seitdem ist Ruhe eingekehrt – Vandalen und Jugendliche treiben weiter ihr Unwesen.
Gesellschaftshaus Grünau
Das Gesellschaftshaus besteht aus zwei parallel zueinander angeordneten Ziegelbauten mit rechteckigem Grundriss aus Elementen des Jugendstils und des Klassizismus. Im dreistöckigen Gebäudeteil an der Straße war im Hochparterrebereich eine Gaststätte untergebracht. Deren Decke und Wände hatte der Architekt in einem Mischstil aus Neubarock und Jugendstil gestaltet, ebenfalls ein weiteres Zimmer, das Bilderzimmer. Beide Gebäude ließ der Eigentümer um das Jahr 1900 durch angebaute Veranden zusammenfassen, deren Ecken mit Ziertürmchen betont wurden.
Nach der politischen Wende ging die Immobilie in den Besitz des Bundes und damit an die Treuhandanstalt bzw. den Liegenschaftsfonds. Für den Erhalt des seit 1991 leerstehenden Gebäudes war der Bezirk Treptow-Köpenick verantwortlich. Eine kurzzeitige Belebung des Grundstücks erfolgte, als im August 2000 ein Biergarten eröffnete, der jedoch bereits im Oktober wieder schließen musste. 2006 kaufte eine türkische Unternehmerin die Immobilie, um hier ein Kongresshotel zu eröffnen und/oder Wohnvillen für Eigentümer zu schaffen. Die Pläne scheiterten. Eine Abbruchgenehmigung wurde abgelehnt. Bis 2013 ermahnte das Bezirksamt die Besitzerin, das Gebäude vor dem Verfall zu retten. 2014 erfolgte eine Ersatzvornahme. 2015 zog die Eigentümerin vor Gericht. Nachdem der Kaufvertrag aufgehoben wurde, erwarb eine Gesellschaft die Immobilie, um hochwertige Seniorenwohnungen zu schaffen.
Berliner Luft- und Badeparadies (Blub)
Das Bade- und Freizeitzentrum Berliner Luft- und Badeparadies (kurz: Blub), eröffnet 1985, war ein Freizeitbad in Berlin-Britz. Das Bad war eine Erholungseinrichtung von überregionaler Bedeutung. Mit Außenanlagen und Parkplatz umfasste das Bad eine Fläche von 35.000 Quadratmetern. 2002 wurde das Blub vom Gesundheitsamt wegen diverser Missstände geschlossen. Einige Bereiche des Bades blieben jedoch geöffnet. 2004 wurde das Blub von der "Berliner Morgenpost" auf Platz 67. der "100 Besten, die uncoolsten Orte der Stadt" gewählt. 2005 schloss das Blub für immer seine Pforten.
Löwen-Adler-Kaserne
Das Areal der Löwen-Adler-Kaserne liegt gegenüber des Olympischen Dorfes und eigentlich bereits in Brandenburg. Der zweiteilige Komplex wurde 1935/36 erbaut, letzte Trakte waren 1939/40 fertiggestellt. Westlich gelegene Teile der Adlerkaserne standen bereits zum Zeitpunkt der Olympischen Spiele. Beide Kasernen hatten ihren Namen von großen Tier-Skulpturen die am Eingangsbereich standen – der Löwe und der Adler. Während die Löwen-Kaserne ursprünglich dem Infanterie-Lehrregiment diente, waren in der Adler-Kaserne bespannte Einheiten untergebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg kurzfristig als Flüchtlingslager umgenutzt, übernahm die Rote Armee 1947 das Areal. Bis zu 20.000 Soldaten waren dort untergebracht. 1992 endete die militärische Nutzung des Geländes mit dem Abzug der Truppen.
Selbstverständlich gibt es in Berlin noch unzählige weitere Objekte, die seit vielen Jahren dem Verfall ausgesetzt sind, heute weit über Deutschlands Grenzen hinaus als morbide Schönheiten bekannt sind und für die es auch in naher Zukunft keine tragfähigen Pläne gibt. Aus diesem Grund soll diese Rubrik fortgesetzt werden. Freuen Sie sich darauf.
Und nein, die Heilstätten in Beelitz, die Heilanstalten Hohenlychen, das Elisabeth Sanatorium, die Chemiefabrik Rüdersdorf und viele andere populäre Destinationen sind hier nicht aufgeführt. Ganz einfach: sie befinden sich nicht in der Bundeshauptstadt Berlin, sondern im Bundesland Brandenburg.