Weiter Wüstensand, sengende Hitze und lupenreine Diamanten: Schlagworte, aus denen man gut einen Abenteuerfilm produzieren könnte. Im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, auf dem heutigen Gebiet des Staates Namibia etwa zehn Kilometer östlich der Hafenstadt Lüderitz, befand sich einst eine deutsche Kolonie - und hier ereignete sich eine wahrlich filmreife und vor allem wahre Geschichte. Diese handelt vom Deutschen August Stauch aus dem thüringischen Ettenhausen, der an schwerem Asthma litt, sich wegen der Atembeschwerden für ein paar Jahre nach Deutsch-Südwestafrika versetzen lassen wollte, Diamanten fand und damit eine wahre Hysterie auslöste. Eine Hysterie unter Diamantenjägern, die auf der Suche nach schnellen Millionen waren, Weltruhm und Wohlstand erlangen wollten, dabei aber kläglich scheiterten.
1883 hatte das Kaiserreich eine kleine Kolonie im heutigen Namibia erworben. Stauchs Vorgesetzter bei der Reichsbahn schlug vor, den Asthmatiker dorthin zu versetzen, mit der Verantwortung für einen kleinen Bahnhof mitten im sengenden und trockenen Wüstensand. Diese Chance ergriff der Mann aus Thüringen, ließ Frau und Kinder zurück und begab sich zum einsamen Örtchen "Grasplatz". Der Ort machte seinem Namen allerdings keine Ehre, statt sattem Grün gab es hier nur eines: Sand, wohin das Auge reichte - und unbarmherzige Hitze. Stauch verbrachte Tag um Tag damit, ein Teilstück der Bahnstrecke der Lüderitz-Eisenbahn zwischen der Ortschaft "Aus" und der Hafenstadt "Lüderitzbucht" vom verwehenden Sand zu befreien und das Bahnhofsgebäude instand zu halten. Dabei wurde er von seinem schwarzen Hilfsarbeiter Zacharias Lewala unterstützt.
Das Leben des August Stauch nahm am 14. April 1908 eine grundlegende Wendung, als sein Hilfsarbeiter Lewala ihm einen funkelnden Stein mit den Worten "Sieh mal Mister, moy Klip" präsentierte. Stauch hatte - da er sich für Mineralien in der Wüste interessierte - seine Mitarbeiter angewiesen, ihm ungewöhnliche Steine unverzüglich zu zeigen. Als er mit jenem gefundenen seine Armbanduhr anritzte, verschlug es ihm die Sprache. Ein Geologe bestätigte die Vermutung später. Bei dem von Lewala als "schöner Stein" präsentierten Fund, handelte es sich um einen lupenreinen Diamanten. Dieser Fund war der Beginn des Ortes Kolmanskuppe, der zahlreiche Unternehmer, Investoren, Abenteurer und Arbeiter anzog und aus dem einst verschlafenen Fleckchen Erde über die Jahre die reichste Stadt Afrikas machte. Denn Stauch konnte sein Geheimnis logischerweise nicht lange für sich behalten.
Aus dem ehemaligen Bahnbediensteten wurde ein Diamantenkönig. Stauch kündigte bei der Eisenbahn und sicherte sich die besten Schürffelder. Vielen Meldungen aus der damaligen Zeit ist zu entnehmen, dass die Edelsteine "wie Pflaumen unter einem Baum" im Wüstensand lagen und nur aufgesammelt werden mussten. Die Angestellten von Stauch kehrten laufend mit Marmeladengläsern voller Diamanten zurück. Kein Wunder, dass sich diese Ereignisse auch bis ins heimische Berlin herumsprachen. Die Reichsregierung kämpfte fortan gegen eine wahre Goldgräberhysterie an, erklärte aus diesem Grund einen riesigen Küstenstreifen als "Sperrzone". Hier sicherte sich die Deutsche Diamanten Gesellschaft das Monopol zur Erschließung. Dort wo Siedlungen unter deutschem Namen nur so aus dem Boden sprossen, gründete Stauch das Zentrum der Schatzsucher: Kolmanskuppe.
Innerhalb kurzer Zeit zählte Kolmanskuppe 400 Einwohner und 800 Arbeiter. Der Ort verfügte über alle Annehmlichkeiten, die es auch in der Heimat gab. Neben einer Polizeistation gab es ein Krankenhaus, eine Schule, Bars, ein Postamt, Bäcker- und Metzgerei, Ballsaal mit Tanzsaal, Theater, Supermarkt, Turnhalle und Kegelbahn. Für den Strom sorgte ein Elektrizitätswerk und eine Schmalspurbahn beförderte Mensch und Logistik durch den Ort.
Mitten in der sengenden Hitze errichtete man auch ein Schwimmbad, eine Eis- und eine Limonadenfabrik. Die Einwohner des Ortes ließen sich ihr Hab und Gut aus der Heimat anliefern. Das Trinkwasser kam per Schiff aus dem weit entfernten Kapstadt. Bewohner, die eine führende Position innehatten, lebten in ihren hochherrschaftlichen Steinhäusern auf den Hügel, der Mittelstand in kleinen Häuschen im Ortskern und die schwarzen Arbeiter abseits in Holzbaracken, in denen es aufgrund des Schichtdienstes nur jeweils ein Bett für zwei Personen gab.
Zwanzig Prozent der weltweiten Edelsteinproduktion stammte aus Kolmanskuppe. Über die Jahre wurde fast eine Tonne Diamanten aus dem Sand geholt. Als das Kaiserreich im Ersten Weltkrieg an das britische Kolonialreich ging, änderte sich nicht viel in Kolmannskuppe. 1924 zog sich August Stauch aus dem Diamantengeschäft zurück, verlor durch die Weltwirtschaftskrise fast sein ganzes Vermögen und kehrte schlussendlich nach Thüringen zurück. 1930 wurde der Diamantenabbau bei Kolmanskuppe ganz eingestellt, da war die Gegend bereits zu 95 Prozent ausgebeutet. Dies hatte den Weggang der Bevölkerung zur Folge. Mit diesem wandelte sich die einst so prachtvolle Stadt langsam in eine Geistersiedlung. 1956 verließ der letzte Bewohner Kolmanskuppe. Die Wüste holte sich über die Jahre ihr Territorium zurück, verschluckte durch den Flugsand viele Gebäude ganz oder teilweise.
1947 verstarb der ehemalige Diamantenkönig völlig verarmt in seiner Heimat. In den 80er Jahren lies man in Kolmanskuppe ein kleines Museum entstehen und zieht so bis heute Touristen an. In den 1990er Jahren widmete man dem Ort dann mehr Aufmerksamkeit. Erhaltenswerte Gebäude wurden restauriert, Räume wieder originalgetreu möbliert und nach und nach ein geordneter Museumsbetrieb eingerichtet. Touristen begeben sich nun auf die Spuren der Diamantenjäger, die hier vor langer Zeit ein Vermögen machten und dieses ebenso schnell wieder verloren. Der Wüstensand hat gegeben und genommen. Geblieben sind verlassene Häuser, verrostete Bahngleise, heißer Wüstenwind und ganz viele Geschichten, die man sich hier erzählt. Und wenn sich bei jemandem heute ein Funkeln im Sand bemerkbar macht, dann ist die Enttäuschung schnell groß, wenn alles andere ausgegraben wird als ein Edelstein.