Schaurige Attraktion: Die Mumien von Palermo

Unterirdische Grabstätten des Museums Catacombe dei Cappuccini. Foto: Gmihail/CC BY-SA 3.0

In Palermo findet sich unter dem Kapuzinerkloster in der Unterwelt die größte Mumiensammlung Europas und eine der bekanntesten Grablegen der Welt. 2063 Mumien finden sich noch heute in der Gruft. Diese besteht aus fünf Korridoren, jeweils einem für Männer und Frauen, einem für die palermitanische Oberschicht (so genannte „Professionisti“ - also Offiziere des bourbonischen und italienischen Heeres, Ärzte, Rechtsanwälte, Lehrer, und Politiker), sowie jeweils einem Korridor für Priester und einen für die Kapuziner. Zwei Nischen wurden für die Jungfrauen und Kinder angedacht. Am 11. März 1943 wurde der Frauengang der Gruft bei einem Bombenangriff getroffen, 1966 zerstörte ein Feuer im selben Korridor weitere Särge.

Die ersten Bestattungen sind auf das 1599 datiert, der Legende nach hatte man durch Zufall bei dem Vorhaben, Leichname in eine neue Gruft zu überführen, bemerkt, dass die bestatteten Körper hier trocknen und nicht verwesen. Zuerst war die Kapuzinergruft (ital. Le Catacombe dei Cappuccini), wie das Reich der Verstorbenen fachmännisch genannt wird, den Mönchen des Klosters als letzte Ruhestätte vorbehalten. Über die Jahre kauften sich auch wohlhabende Bürger und Adlige mit großzügigen Spenden an das Kloster ein, um hier ihre Überreste als Memento mori an den Wänden aufzustellen. Bis 1793 erteilten das Generalkapitel und die Superioren der Kapuziner die Genehmigung, später die Prioren des Klosters.

1837 verbot die Regierung diese Art der Bestattung, bis 1881 wurden jedoch noch Beisetzungen durchgeführt, allerdings mussten die Leichname in Särgen zur letzten Ruhe gebettet werden. Heute ist die Kapuzinergruft gerade durch Baumängel akut bedroht, obwohl diese die Haupteinnahmequelle ist und in jedem Reiseführer beworben wird. Die größten Probleme sind die Luftfeuchtigkeit und bedingte Wassereinbrüche in den Katakomben. So ist es nicht verwunderlich, dass Eisenbefestigungen, die die stehenden Särge schützen sollen, korrodiert und teilweise herausgebrochen sind. Hier wird die Zukunft zeigen, mit welchen Plänen und vor allem Investitionen man dem Verfall entgegenwirken wird, wenn man dies den möchte.

Im Frauenkorridor befindet sich auch die berühmteste und oft als schönste Mumie der Welt bezeichnete Rosalia Lombardo. Das Mädchen starb eine Woche vor ihrem zweiten Geburtstag vor mehr als 90 Jahren an der Spanischen Grippe und wurde von ihrem Vater hier einbalsamiert "gebettet". Dieser bestellte den besten Präparator Palermos, was den heutigen unvergleichlich erhaltenen Zustand des Mädchens erklärt. Der finanzielle Status und Einfluss erlaubte es Rosalias Vater, seine Tochter in der Gruft zu platzieren, obwohl das Gesetz dies im 20. Jahrhundert eigentlich untersagte. 2009 wurde durch ein gefundenes Schriftstück das Geheimnis der Einbalsamierung entschlüsselt. Der Präparator hatte Rosalias Blut gegen eine Mischung aus Glycerin, Formalin, Zinksulfat und weiteren Bestandteilen getauscht.

Wem die Katakomben in Palermo mit den zahlreichen Mumien, die auf die Besucher herabblicken, pietätlos vorkommen, der sollte bedenken, dass sich die hier "ausgestellten" Toten zu Lebzeiten bewusst für diese Art der Bestattung entschieden haben. Sie wussten, dass sie auf lange Zeit von vielen Augen betrachtet werden. Zudem darf man die Tatsache nicht außer Augen lassen, dass einmal im Jahr die Verwandschaft kam, um dem Toten neue Kleidung anzulegen. Der Archäologe Jörg Scheidt, der 2012 zusammen mit dem Forensiker Dr. Mark Benecke die Katakomben ausführlich studierte, bezeichnete gegenüber einer Zeitung die hier sichtbare Situation als "Imitation des Lebens, aber trotzdem grotesk". Schon alleine weil die Hinterbliebenen ihre in der Kapuzinergruft bestatteten und "zur Schau gestellten" Angehörigen als ein Zeichen des Wohlstands betrachteten.