Im Schwarzwald, dem höchsten und größten zusammenhängenden Mittelgebirge im Südwesten Baden-Württembergs - abseits der üblichen Touristenattraktionen thronen noch heute imposante, architektonisch wertvolle, aber leider lange leerstehende und verfallene Hotels und Kurhäuser. Sie alle wirken vergessen, verstoßen - aufgegeben und haben größtenteils keine Chance auf die Entdeckung und die Reaktivierung durch einen solventen neuen Eigner, der seine Visionen nicht nur auf dem Plan präsentiert, sondern auch in die Realität umsetzt.
Ein besonderes, hervorzuhebenes Objekt ist das ehemalige Schwarzwaldhotel Waldlust in Freudenstadt. Freudenstadt liegt auf einem Hochplateau am Ostrand des Nordschwarzwalds auf 591 bis 968 Metern Höhe und ist neben einem traditionell beliebten Urlaubsort anerkannter heilklimatischer Kneippkurort. Im einstigen Grandhotel gingen gekrönte Häupter und Berühmtheiten wie die Königin von Holland, der König von Schweden, der Prince of Wales, Politiker wie David Lloyd George, Künstler wie der russische Fjodor Fjodorowitsch Schaljapin und der österreichische Komponist Fritz Kreisler, Stars und Jetsetter wie der amerikanische Filmschauspieler Douglas Fairbanks und die kanadische Schauspielerin und Filmproduzentin Mary Pickford ein und aus.
Das heute leerstehende Hotel entstand 1902 aus dem alten Sommerhaus Waldlust, einer Prachtvilla. In den 50er-Jahren wurde das Ensemble erweitert, es entstanden zahlreiche, mit Loggien und Balkonen veredelte Suiten, die Zahl der Zimmer wuchs auf 140, 60 davon hatten Privatbäder und das Gebäude verfügte über 100 Liegebalkone. Heute verfügt das Hotel (etwa 14.000 Quadratmeter Grundstück) über großzügige rund 1.000 Quadratmeter große, im Erd- und Untergeschoss vorhndene Repräsentations- und Gesellschaftsräume. Ergänzend fasziniert die denkmalgeschütze Immobilie mit ihrer atemberaubenden Sicht auf den Schwarzwald. Die Gesamtfläche beträgt seit der Schließung bei 80 Zimmern und Suiten (140 Betten) auf fünf Obergeschossen mit historischem Aufzug, etwa 3.200 Quadratmeter.
Ein Denkmalverein setzt sich seit einigen Jahren vorbildlich für den Erhalt des Hotels ein, sichert das Gebäude und konserviert soweit wie möglich das stilvolle Bauwerk. "Der Niedergang und der schleichende Bauwerks-Verschleiß, ja -Ruin, ist ein Stück weit deprimierend und auch ärgerlich, weil diese Negativentwicklung zwar nachvollziehbar, aber auch unnötig und vermeidbar ist. Es gibt genügend Mittel und Möglichkeiten, den baulichen Zersetzungsprozess rechtzeitig zu stoppen, umzukehren und das Gebäude und seine enormen Stärken und Potenziale im Sinne der Denkmalpflege und eines funktionellen Verwendungszwecks wieder zu aktivieren. Es benötigt „nur“ gemeinsames, konzertiertes Handeln, einen ausreichend dimensionierten Finanz-Fonds und ein kluges Konzept sowie Sachverstand und Idealismus/Empathie für schöne, erhabene Dinge", schildert Siegfried Schmidt vom Vorstand des Vereins für Kulturdenkmale Freudenstadt e.V. gegenüber unserer Redaktion.
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rottenplaces: Herr Schmidt, bitte beschreiben Sie doch die Aktivitäten, Beweggründe und Ziele des "Vereins für Kulturdenkmale e.V."
Schmidt: Der Denkmalverein Freudenstadt setzt sich für den Erhalt der orts- und kulturgeschichtlich wertvollen und wichtigen Gebäude in Freudenstadt und Umgebung ein. Wir gehen dabei praktisch und auch ideell zu Werke. Durch aktives, notsicherndes oder bauhandwerkliches Intervenieren bei drohendem Verfall oder Ruin. Wir ergreifen auch Schutzvorkehrungen gegen Beschädigungen und Vandalismus. Zum anderen wollen wir Bewusstsein schaffen für Denkmal-Architektur aus Vergangenheit und Gegenwart. Durch Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit und Petitionen für die Wahrung und den Erhalt von Kulturzeugnissen. Unsere Beweggründe sind ausschließlich ideeller Art: Es geht um die Identität und das Gesicht von Stadt und Landschaft, es geht um das Bewahren von Geschichtszeugnissen.
rottenplaces: Seit einigen Jahren engagiert sich der Verein besonders für den Erhalt des einstigen Schwarzwaldhotels "Waldlust" in Freudenstadt in bemerkenswerter Art und Weise. Bei den vielen leerstehenden, historischen Gebäuden in der Stadt und Umgebung - warum erfährt gerade das "Waldlust" Ihre ganze Aufmerksamkeit?
Schmidt: Weil das Hotel Waldlust ein Baudenkmal von extraordinärer Bedeutung für Freudenstadt ist. Es ist nicht nur das Nobel-Grandhotel mit höchster Gäste-Prominenz gewesen, es ist nicht nur ein anschauliches Architekturzeugnis aus Belle Epoque und 50-er-Jahre-“Elegance“, es ist auch ein sozusagen „sprechendes“ Denkmal, weil es ein Treffpunkt der Welt war und damit Personengeschichte(n) in vielfältigster Weise zu erzählen vermag.
rottenplaces: Das Hotel "Waldlust" galt zu aktiven Zeiten als Grand- oder Fürstenhotel von Freudenstadt. Eine Adresse, die für Glanz und Gloria stand und als Hochburg der Luz-Hotelier-Dynastie galt. Von Luxusambiente zu unterschiedlichen Stufen des Verfalls - wie empfinden Sie persönlich den Niedergang der Immobilie?
Schmidt: Der Niedergang und der schleichende Bauwerks-Verschleiß, ja -Ruin ist ein Stück weit deprimierend und auch ärgerlich, weil diese Negativentwicklung zwar nachvollziehbar, aber auch unnötig und vermeidbar ist. Es gibt genügend Mittel und Möglichkeiten, den baulichen Zersetzungsprozess rechtzeitig zu stoppen, umzukehren und das Gebäude und seine enormen Stärken und Potenziale im Sinne der Denkmalpflege und eines funktionellen Verwendungszwecks wieder zu aktivieren. Es benötigt „nur“ gemeinsames, konzertiertes Handeln, einen ausreichend dimensionierten Finanz-Fonds und ein kluges Konzept sowie Sachverstand und Idealismus/Empathie für schöne, erhabene Dinge.
rottenplaces: Denkmalimmobilien sind seit vielen Jahren erfolgreiche Anlageinstrumente. Selbige genießen innerhalb des Immobilienmarktes einen Sonderstatus. Warum fand sich bisher kein "rettender Prinz"?
Schmidt: Hier treffen wohl mehrere Aspekte zu. Das Baudenkmal Waldlust ist bereits durch einen althergebrachten Sanierungsstau vorgeschädigt. Der Weg zu seiner vollständigen Restaurierung wird deshalb ein umso weiterer und aufwendiger sein. Die finanziellen Aufwendungen für das Bauwerk im Sinne einer denkmalgerechten Restitution seiner alten Funktion als Hotel sind erheblich zu veranschlagen. Das Rentierlichkeitsdogma in dieser profitgesteuerten Ökonomie verhindert oder bremst Investitionen in „schwierige“ Objekte, die zudem mit baulichen Risiken und strategischen Unwägbarkeiten behaftet sind. Die Waldlust benötigt entweder den mäzenatisch geleiteten, denkmalaffinen, der Kunst und den schönen Dingen zugetanen, vermögenden Kulturfreund oder den altruistischen, lokal verankerten Erblasser mit „Lebenswerk“-Idealen („Ich tue es für meine Stadt!“) oder einen vielleicht gar „spleenigen“ Investor, der, vernarrt in eine Idee, sich ein Denkmal setzen möchte und sich dazu ein Wolkenkuckucksheim in Realgestalt erschafft.
rottenplaces: Welche Pläne oder Vorhaben, die bisher leider scheiterten, gab es in der Vergangenheit?
Schmidt: Dazu gäbe es natürlich einiges zu erzählen. Um es hier kurz und knapp gefasst zu bilanzieren, sind sowohl Ansätze mit dem Ziel einer Internatsgründung, wie auch hochtrabende Hotelpläne an entweder realen Gegebenheiten (z.B. Nichtbereitstehen einer erwarteten, erklecklichen Kapitalsumme für Kauf und Sanierung) gescheitert oder sie wurden, siehe Ersteres, offensichtlich gar nicht ernsthaft verfolgt, sondern waren nur Alibiveranstaltungen.
rottenplaces: Welche Unterstützung erfahren Sie seitens der Stadt, Politik oder aus der Öffentlichkeit für Ihr "Bestreben" und was für ein Engagement wünschen Sie sich gerade für das "Waldlust"?
Schmidt: Die Unterstützung durch die genannten Akteure oder Bereiche ist leider recht schmal umrissen, weil sich außer dem Verein für Kulturdenkmale niemand so recht die Sache zu eigen macht. Grund-Manko: Hotel und Grundstück sind privates Eigentum und Angelegenheit. Somit kann Verantwortung für Kulturerbe abgeschoben werden, leider. Gewiss, es gibt vereinzelt technische Hilfen und auch wohlmeinende Kommentare oder beifälliges Lob, doch den aktiven Part muss immer der Denkmalverein bestreiten. Wir werden deshalb in Zukunft verstärkt auf öffentliche Teilnahme und Unterstützung, auf kommunale Mitwirkung drängen müssen. Etwa in der wichtigen Kurssteuerung bei der Stadtentwicklung, wenn es um die Felder Stadterneuerung und Stadtsanierung im Umfeld der alten Kurhotels geht. Hier kann die Stadtgemeinde entscheidende Rahmendaten setzen und für privates Engagement die notwendigen Initialzündungen geben.
rottenplaces: Sie und der Verein stecken viel Zeit, Engagement und vor allem Geld in den Erhalt und die Konservierung der Immobilie. Welche Zukunft wünschen Sie sich für das "Waldlust"?
Schmidt: Das alte Grandhotel verdient es, wieder ein Hotel der Luxuskategorie in einem historischen Setting zu werden. Entsprechende Projektionen und Pläne dafür besitzen wir bereits. Freilich will dieses Konzept kompetent durchdacht, detailliert geplant und mit viel Kreativität und Klugheit ins Werk gesetzt werden.
rottenplaces: Gibt es derzeit potenzielle Interessenten oder realisierbare "Visionen" für das "Waldlust"?
Schmidt: Ja, es gibt durchaus potenzielle Interessenten, ebenso wie es diese „Visionen“ für ein Grandhotel Waldlust gibt, selbige sogar von uns in Entwürfen und Umrissen erstellt. Nur halten sich möglicherweise Investoren/Interessenten häufig bedeckt und harren der Änderung von Rahmenbedingungen, ohne dass dies jemals kommuniziert wird.
rottenplaces: Bietet der "Verein für Kulturdenkmale e.V." Führungen oder Möglichkeiten für Fotografen im "Waldlust" an, und wenn ja, welche?
Schmidt: Für beide Anliegen gibt es ausreichend Möglichkeiten und unser aktives Entgegenkommen. Es finden Führungen zur Bau- und Denkmalgeschichte statt, dann Fototouren-Tage, ferner die Möglichkeit auch der exklusiven Buchung als Fotolocation, wir veranstalten außerdem in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen auch Kulturveranstaltungen im weitesten Sinne im ehem. Hotel Waldlust
rottenplaces: Wie kann man den "Verein für Kulturdenkmale e.V." unterstützen?
Schmidt: Indem für den Erhalt des Kulturdenkmals Hotel Waldlust Spenden und freiwillige Beiträge fließen; indem wir durch Mitgliederzuwachs handlungsstärker werden; indem uns auch freiwillige praktische Mitarbeit an dieser und anderen Projektstätten angeboten wird – handwerklich-professionell wie auch in Hilfsmisson durch unterstützende Leistungen.
Informationen zum Verein für Kulturdenkmale unter www.denkmalfreunde.de
Wir danken Siegfried Schmidt für das Interview.
Das Interview führte André Winternitz.