Essen (aw). Ausgerechnet Essen! Die Stadt mitten im Ruhrgebiet, die über Jahrzehnte von Kohle und Stahl geprägt wurde und in den Köpfen vieler immer noch als grau und hässlich herumspukt, wurde von der EU-Umweltkommission mit dem Titel "Grüne Hauptstadt Europas 2017" ausgezeichnet. Was macht Essen zu einer lebenswerten, grünen Stadt? Und was hat sie über die Jahrzehnte dafür getan? Die Dokumentation (10. März, 20.15 Uhr, WDR) von Ulrike Brincker geht dieser Geschichte nach.
Über Generationen wurde Essen vor allem mit dem Bergbau verbunden - und mit dem Stahlgiganten Krupp. Der Himmel über Essen war wie überall im Ruhrgebiet lange voller Rauch und Ruß, die Stadt stand in erster Linie für harte Arbeit und nicht etwa für Erholung. Daran hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten so viel geändert, dass es jetzt einen grünen Titel wert ist. Zum ersten Mal geht diese Auszeichnung an eine Stadt der Montanindustrie. Damit soll Essen auch als Vorbild für andere europäische Städte im Strukturwandel gesehen werden. Aber was ist das Besondere, das Essen heute (und in Zukunft) zu einer lebenswerten und umweltbetonten Stadt macht?
Natur - von Menschen angelegt
Blickt man von oben auf die Stadt, sieht sie tatsächlich über weite Teile grün aus, vor allem im Süden. Aber hinter diesem ersten Eindruck verbirgt sich hier, mitten im Ruhrgebiet, eine besondere Geschichte: Das, was nach Natur aussieht, ist seit rund hundert Jahren überwiegend von Menschen angelegt worden. Immer schon gab es Planer, die der schwer arbeitenden Bevölkerung Erholungsmöglichkeiten bieten wollten, zum Beispiel mit dem Grugapark, der 1929 für eine große Gartenbau-Ausstellung geschaffen wurde und seitdem ein Volkspark mitten in der Stadt ist.
Auch der Baldeneysee ist künstlich angelegt: Er sollte in erster Linie der Trinkwasserversorgung dienen, wurde aber schnell zu einem beliebten Naherholungsgebiet; schon ab 1933 fuhren hier die Ausflugsschiffe der "Weißen Flotte". Im Norden Essens, in den Vierteln voller Zechen und Fabriken, gab es lange Grün nur in Kleingartenanlagen oder auf dem Friedhof. Erst ab den sechziger Jahren entstanden durch Haldenbegrünung und neue Grünanlagen und den ersten Revierpark auch hier Freizeitangebote ganz in der Nähe.
Stillgelegte Industrieanlagen als "Umwelt-Kick"
Der entscheidende Kick für die Umwelt kam mit dem Ende von Kohle und Stahl, so problematisch es auch in sozialer Hinsicht war. Der Himmel über dem Ruhrgebiet ist längst wieder blau, und die Projekte der IBA Emscherpark haben durch die Verbindung von stillgelegten Industriearealen mit Natur und Kultur viele neue und einzigartige Attraktionen geschaffen. Die bekannteste ist sicher Zeche Zollverein. Insgesamt ist die Stadt durchlässiger geworden: Zechen- und Industrieareale bzw. ihre Brachen, die man nicht betreten durfte, sind wieder zugänglich und werden ökologisch möglichst sinnvoll genutzt: Auf alten Bahntrassen laufen Radwege, und das Gelände der ehemaligen Krupp-Stahlfabrik, das sich über 230 Hektar mitten in der Stadt erstreckte, wurde umfunktioniert in ein neues Wohngebiet und einen Park mit See.