Peter Untermaierhofer - "Lost Places fotografieren"

"Lost Places fotografieren" von Peter Untermaierhofer. Neuerscheinung/Fotomontage.

Das Buch "Lost Places fotografieren - Von der Vorbereitung über das Shooting bis zur Nachbearbeitung" von Peter Untermaierhofer ist bereits im September 2016 erschienen - auch wenn es auf rottenplaces.de im Ressort "Neuerscheinungen" erst jetzt rezensiert wird. Dieses Buch gehört wahrhaftig in das Bücherregal eines jeden Lost Place Fotografen. Mit dem Studium des Buches haben wir uns bewusst Zeit gelassen, denn eine oberflächliche Bewertung verbietet sich hier. Doch eins nach dem anderen ...

2013 veröffentlichte der freiberufliche Fotograf seinen Bildband "Vergessene Orte im Ruhrgebiet". In diesem zeigte der Bayer verlassene Industrieanlagen, Fabriken und Zechen im Ruhrgebiet. Dafür bearbeitete er die Fotografien teilweise grenzwertig in HDR-Technik (HDR: High Dynamic Range - zu Deutsch "Bild mit hohem Dynamikumfang", Anm. d. Red.) - ein Trend, der in dieser Bearbeitungsform und in diesem Fotogenre heute größtenteils ausgereizt und somit rückläufig ist. Wie Untermaierhofer in seinem aktuellen Buch kapitelübergreifend anmerkt, ist die Tatsache, dass HDR-Bilder früher wie heute oftmals knallbunt, überkontrastreich und überschärft daher kommen.

Zugegeben, auf den ersten Blick erinnert Untermaierhofers neuestes, 215 Seiten umfassendes Werk, erschienen beim dpunkt.verlag, stark an "Shooting Lost Places" von Charlie Dombrow aus dem Jahr 2014. Bei genauer Betrachtung wird als Erstes klar, dass die Zeit gekommen war, nicht den hundertsten, x-beliebigen Bildband mit europäischen, herzlos kategorisierten Destinationen zu veröffentlichen, sondern den aufmerksamen Leser einzuführen, in die Welt der Fotografie verlassener und aufgegebener Bauwerke aller Art. Mit allen Techniken und Raffinessen. Dies allerdings für jedermann - egal ob Einsteiger, ambitionierter Fotograf oder ja, auch Profi, der das Genre "Lost Places" für seine Zwecke entdeckt hat.

Untermaierhofers Buch ist ein sorgfältiges und fachlich wertvolles Werk. Das Buch gliedert sich in vier Hauptkapitel. Der bayerische Fotograf vermittelt der lesenden Zunft im ersten Kapitel einen extensiven Einblick in seine Leidenschaft für Lost Places, warum es ihn an diese Orte verschlägt, welche Motivwahl für ihn reizvoll ist und welche "Know-hows" aus seiner Sicht maßgeblich für ein gutes Bild stehen.

Für Theoretiker finden sich zu jedem im Buch publizierten Bild EXIF-Daten (Exif oder EXIF: Exchangeable Image File Format, Anm. d. Red.) zu Kameramodell, verwendeter Brennweite und Belichtungszeit. Wer also gewisse Motivergebnisse nachempfinden will, und sich von der Fraktion "Scheint keine Sonne durch die Ritzen, musste Blitzen" lösen möchte - gerade wenn es um qualitativ hochwertige Innenaufnahmen mit den unterschiedlichsten Gegebenheiten geht - hat hier von Anfang an uneingeschränkt die Möglichkeit dazu.

Untermaierhofer macht in seinem Buch aber auch klar, wie wichtig beim Fotografieren der Perspektivwechsel ist. Gerade bei der Lost Places Fotografie erzählt das finale Bild viel über den jeweiligen Fotografen. Schon der französische Fotograf Henri Cartier-Bresson (1908-2004), der durch seine meisterhafte Schwarzweiß-Fotografie bekannt wurde, hat folgendes Zitat geprägt: "Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut." Wie recht er damit hatte und noch immer hat, zeigen die gefühlt unzählbaren, lust- und ideenlos wirkenden Motive von "Lost Places", in Zeiten der sozialen Netzwerke.

Der bayerische Fotograf nennt diese "effektgetränkter Mainstream". Schon aus diesem Grund möchte er die Motivation der "Motivjäger" für die oftmals geschichtlich wertvollen, aufgegebenen Bauwerke aufwerten und die fotografischen Sichtweisen - sowie die damit verbundenen Ergebnisse - steigern.

Im zweiten Kapitel erfährt der Leser die wesentlichen Grundlagen vor dem eigentlichen Shooting. Welches Equipment ist empfehlenswert? Welche Erfahrungen haben sich über die Jahre als zuverlässig herausgestellt? Welche Objektive eignen sich wofür? Wie wichtig ist ein Stativ? Und welche verschiedenen Kugelköpfe gibt es? Was zuerst nach den üblichen Fotomagazin-Artikeln klingt, ist im Buch fachlich versiert und trotzdem entsprechend einfach nachvollziehbar dokumentiert. Auch der optimale Arbeitsplatz, also Monitorkalibrierung, Farbräume und diverse, softwaretechnische Werkzeuge verdeutlichen dem Leser, wie komplex die Fotografie, will man sie denn bestmöglich realisieren, sein kann.

Wer die Lost Place Fotografie noch professioneller betreiben möchte, erfährt viele nützliche Tipps zu Stativerweiterungen, ferngesteuerten Kameras, externen Stromquellen, Onlinekartendiensten und dem wichtigsten Thema: der Tourenplanung. Es erklärt sich von selbst, dass auch die unterschiedlichsten, potenziellen Gefahrenquellen vor Ort besprochen werden. Da viele "Freizeitfotografen" - man kann es kaum glauben - Wert auf kurze Shorts, Muskelshirt, Flip Flops oder Tarnkleidung samt Tarnmaterial legen, widmet sich Untermaierhofer auch dem Thema Kleidung - quasi von Schuhwerk bis Atemschutz.

Während des Shootings - dem dritten Kapitel - gibt es vieles zu beachten. Es sei erwähnt, dass der Autor hier klar zwischen dem jeweiligen Nutzen, also dem fotografischen Anspruch unterscheidet. Und zu unterscheiden, bzw. bei der Motivwahl überlegt vorzugehen, ist die Kür für jedes anspruchsvolle Bild. Untermaierhofer bespricht die diversen, möglichen Lichteinfälle - und wie mit selbigen umzugehen ist, natürlichen Rahmungen, die ein Bild bei der Lost Place Fotografie grundsätzlich haben sollte, mögliche Detailaufnahmen, Szenerieaufnahmen und der wichtigsten Kategorie: Der Symmetrie. Symmetrische Fotografien zählen zur Königsklasse, vieles hängt von der Wahrnehmung und der Genauigkeit eines Fotografen ab. Diese Kategorie zu beherrschen, erfordert eine große Portion Übung - Learning by Doing.

Das dritte Kapitel ist das ausführlichste des Buches. Es ist logisch, dass bei der immensen Vielzahl von Sicht- und Herangehensweisen, Besonder- und Schwierigkeiten, fotografischem Fachwissen und dessen Umsetzung hier die höchste Disziplin vermittelt werden soll. Das besondere Motiv nicht nur sehen, sondern dieses auch gekonnt umsetzen zu können, das möchte Untermaierhofer dem Leser näherbringen. Durchdachte Vorplanung und Umsetzung erspart langwierige Nachbearbeitung. "Profitieren von Erfahrung" ist hier das Credo, nicht jedem fällt es leicht, sich wissensbegierig an andere Fotografen zu wenden. Das Buch "Lost Places fotografieren" erleichtert den Lehrprozess im Wesentlichen. Schon schnell zeigen sich sehenswerte Ergebnisse.

Nach dem Shooting, im Buch das vierte Kapitel, geht es an die softwarebasierten Regler. Bildformate, professionelle Software, diverse Bearbeitungstools, und dessen Umgang mit selbigen, finalisiert Untermaierhofers Werk. Über die Jahre fluteten die unterschiedlichsten Bildbearbeitungs-Tools, Plugins und Filter den Fotografen-Sektor. Hier die richtige Lösung zu finden, erweist sich häufig als die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Und nicht jede Lösung erzielt das gewünschte Ergebnis. Am Ende des aktuellen Untermaierhofer Buches hat der lernwillige Fotograf das Labyrinth oder den Dschungel an Bildgestaltungs- und Bearbeitungsmöglichkeiten durchschritten und ist in der Lage, mit ein wenig Übung sehenswerte Bilder von Lost Places zu präsentieren.

"Lost Places fotografieren - Von der Vorbereitung über das Shooting bis zur Nachbearbeitung"
Gebundene Ausgabe: 215 Seiten
Verlag: dpunkt.verlag GmbH
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3864903149
ISBN-13: 978-3864903144
Preis: 34,90 EUR

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