Der Duisburger Norden zählt zu den Gebieten im Revier, die erst in der Phase der Hochindustrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Montanindustrie aus dem Dornröschenschlaf einer ländlichen Idylle gerissen wurden. In Meiderich lässt August Thyssen ab 1901 ein Hochofenwerk bauen, das in unmittelbarer Nähe seiner bereits früher erworbenen Kohlefelder liegt. Damit ist eine Voraussetzung für den notwendigen Verbund von Kohle und Eisen geschaffen, sinnfällig demonstriert durch eine Hängeseilbahn, die den Koks von der benachbarten Kokerei Friedrich Thyssen 4/8 direkt zu den fünf Meidericher Hochöfen transportiert. Bis zur Stilllegung des Werkes im Jahr 1985, als Überkapazitäten auf dem europäischen Stahlmarkt abgebaut werden müssen, produziert das Werk Spezialroheisen für die Gießereien und Stahlroheisen.
Nach dem Rückzug der Eisenproduktion bleibt eine Industriebrache von über 200 Hektar zurück, die einer neuen Nutzung harrt. Nur noch stumme stählerne Zeugen erinnern an Stätten schwerer menschlicher Arbeit, aber auch an bedeutsame Epochen der Architekturgeschichte. Mit großem Engagement interessierter Bürger und Bürgerinnen kann der drohende Abriss der Industrieanlage gestoppt werden. Als Projekt der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA Emscher Park) entsteht in den1990er-Jahren zwischen den Stadtteilen Meiderich und Hamborn ein Park neuen Typs, der inzwischen wild gewachsene Vegetation und die Industriebauten des Hüttenwerks miteinander verbindet. Taucher haben in dem mit 21.000 Kubikmetern Wasser gefüllten Gasometer ein Trainingszentrum eingerichtet und der Deutsche Alpenverein nutzt einen Teil der alten Erzbunkeranlage als Klettergarten. In den ausgedienten Industriehallen finden herausragende Kulturveranstaltungen statt: von großen Ausstellungen über Jazz- und andere Konzerte, internationalen Tanzfestivals bis zu Opernaufführungen. Im Spätsommer verwandelt sich die Gießhalle von Hochofen 1 in ein Open-Air-Kino und von Zeit zu Zeit wird das Werk.
Die neue Publikation möchte eine „Brücke der Orientierung“ bauen von der industriellen Vergangenheit des Werkes bis zur aktuellen Neunutzung der Werksanlagen. Sie widmet sich deshalb im ersten Teil den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Hintergründen der Werksgeschichte bis zur Gegenwart, um dann im zweiten Teil die wichtigsten technischen und baulichen Standorte des Hüttenwerks vorzustellen. Jeder Standort bietet ein breites Spektrum an „Zugängen zum Eisen“.
Michael Clarke (Autor), Duisburg Kontor Hallenmanagement GmbH (Hg.): Zugänge zum Eisen. Die Geschichte des Meidericher Hüttenwerkes bis zum Landschaftspark Duisburg-Nord, Klartext-Verlag, Essen 2020, 144 Seiten, zahlr. Abb., ISBN 978-3-8375-2136-8, 14,95 EUR