Borken (aw). Das Erinnern an die jüdischen Gemeinden in Borken und Gemen, an das Zusammenleben von christlichen und jüdischen Nachbarn und an die vielen positiven Beiträge, die Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens zum städtischen Leben leisteten, bevor die Nationalsozialisten an die Macht gelangten, erscheint heute wieder besonders dringlich. Gegenüber einem erstarkten Rechtspopulismus machen diese Aspekte der Borkener Stadtgeschichte modellhaft deutlich, wie gemeinsames Leben in Diversität gelingen kann. Umso bestürzender ist nach wie vor, dass die Diskriminierung, Entrechtung und wirtschaftliche Strangulierung der jüdischen Familien seit 1933 auch in der Kreisstadt ungehindert vorangetrieben wurde – von nationalsozialistischen Funktionären und ihren Mitläufern wie von gleichgeschalteten Behörden, einschließlich der damaligen Kreis-, Stadt- und Amtsverwaltungen.
Seit drei Jahrzehnten ist die Erinnerung daran im Borkener Selbstverständnis und Geschichtsbewusstsein verankert und wird von vielen getragen. Auf Grundlage eines einstimmigen Ratsbeschlusses vollzieht die Stadt Borken am Sonntag, den 14. Oktober in einer öffentlichen Veranstaltung nun auch den Beitritt zum Deutschen Riga-Komitee.
Zur öffentlichen Veranstaltung am Sonntag, den 14. Oktober 2018 um 11 Uhr im Jugendhaus Borken, Josefstraße 1 in Borken sind alle interessierten Bürgerinnen und Bürger herzlich eingeladen. Die lettische Hauptstadt war das erste Deportationsziel, als die Polizeibehörden im Regierungsbezirk Münster am 11. Dezember 1941 begannen, diejenigen jüdischen Menschen zu verschleppen, die nicht mehr durch eigene Flucht und das Asyl in einem aufnahmebereiten Land entkommen waren. Unter ihnen befanden sich auch 13 Männer, Frauen und Kinder aus dem heutigen Borkener Stadtgebiet, darunter allein neun Mitglieder der Weseker Familie Frank.
Wie diese mitten im Ort lebende Familie zunehmend isoliert und entrechtet wurde, vermitteln zwei Schüler der Weseker Maria-Sibylla-Merian-Realschule anhand der damaligen amtlichen Anweisungen. Die zum Zeitpunkt der Depotation 14 Jahre alte Tochter Hannelore Frank zählt zu den ganz wenigen Überlebenden des münsterländischen Riga-Transports, emigrierte nach Kriegsende in die USA und gab im Jahr 2000 ein Video-Interview, aus dem Auszüge gezeigt werden.
Nach einleitenden Gedanken von Bürgermeisterin Mechtild Schulze Hessing über die Gegenwartsrelevanz des Erinnerns wird Regierungspräsidentin Dorothee Feller als Bezirksverbandsvorsitzende des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. das Engagement des Deutschen Riga-Komitees erläutern. Dieser Zusammenschluss von Städten und Gemeinden, aus denen 1941/42 jüdische Bürgerinnen und Bürger nach Riga deportiert worden waren, setzt sich für eine zeitgemäße Erinnerungs- und Bildungsarbeit und für lebendige Begegnungen mit seinen lettischen Partnern ein und wird darin vom Volksbund organisatorisch unterstützt. Musikalisch wird die Veranstaltung von der Sängerin und Gitarristin Bettina Oehmen (Bocholt) gestaltet.