Tausende Flüchtlinge wagen den gefährlichen Weg über das Mittelmeer, um nach Europa zu gelangen. Auch in der Vergangenheit haben Menschen weite Wege zurückgelegt, um ihr Brot zu verdienen. Den Gründen und Folgen der Arbeitswanderung damals wie heute geht die Ausstellung "Wanderarbeit. Mensch - Mobilität - Migration" nach, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) vom 13. August 2015 bis 3. April 2016 in seinem Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop (Kreis Recklinghausen) präsentiert.
"Die Ausstellung zeigt Arbeit als eine wichtige Triebfeder für Wanderungsbewegungen in Geschichte und Gegenwart. Damit verbindet sie zwei der Schwerpunktthemen unseres Landesmuseums, nämlich Industriekultur und Migrationsgeschichte", erläuterte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale am Donnerstag (13.8.) bei der Vorstellung der Schau in Waltrop.
Die Ausstellung "Wanderarbeit" setzt historische Wanderberufe in Szene und stellt ihnen aktuelle Berufsfelder entgegen. Scherenschleifer, Schausteller, Eismacher und Heringsfänger, Amerika-Auswanderer und Gastarbeiter aus Südeuropa stehen für die Wanderarbeit in der Geschichte. Als Arbeitsmigranten heutiger Tage werden polnische Spargelstecher und rumänische Pflegekräfte, aber auch die übernächtigten Berufspendler aus dem frühmorgendlichen ICE und die erschöpften Flüchtlinge auf Lampedusa vorgestellt.
Das Spektrum der Exponate reicht vom Fahrrad eines Scherenschleifers über das Spielkarussell eines Schaustellers bis hin zu angeschwemmten Habseligkeiten der Menschen, die versuchen, aus Afrika nach Europa zu gelangen. Film- und Tondokumente präsentieren die Erinnerungen von Gastarbeitern an ihre ersten Jahre in Deutschland.
Eines ist den Arbeitsmigranten damals wie heute gemeinsam: Sie wandern, weil ihr Beruf es erfordert oder weil sie in der Heimat nicht genügend Arbeit finden. Neben Armut, wirtschaftlicher Not, Karriereaussichten oder der Lust auf Abenteuer und Veränderung spielt heute auch immer öfter die Globalisierung des Arbeitsmarktes eine große Rolle. "Die mobile Arbeitsgesellschaft hat heute viele Gesichter", weiß Museumsleiter Dr. Arnulf Siebeneicker. "Gut qualifizierte Spezialisten in internationalen Konzernen müssen immer öfter für Monate, Jahre oder Jahrzehnte der Arbeit hinterher ziehen. Gleichzeitig entscheiden sich viele Menschen aufgrund des großen Gehaltsgefälles innerhalb Europas, ihre Heimat zu verlassen. Und hunderttausende von Menschen nehmen jeden Tag stundenlange Fahrten in Kauf, um Beruf und Wohnen in der gewünschten Umgebung in Einklang bringen zu können", so Siebeneicker weiter.
Historische und moderne Arbeitswelten
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen das Leben der Menschen und die Folgen der Arbeitswanderung für die Gesellschaft. Jede Abteilung greift zentrale Aspekte wie Aufbruch, Hoffnung, Angst, Heimat, Sehnsucht, Heimweh, Mobilität, Fernweh, Flucht, Neubeginn oder Fremde auf und stellt sie in einen historischen und in einen aktuellen Zusammenhang.
Die Ausstellung wirft einen Blick in die Geschichte zurück und stellt dabei auch Fragen an die Zukunft: Welche Folgen wird es für Familien und Freundschaften haben, wenn sich Arbeit weiter globalisiert? Was bedeutet die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa für Rumänen und Bulgaren? Wird sich die Konkurrenz zwischen unterschiedlich bezahlten Arbeitskräften in Europa und Asien noch weiter verstärken? Konkurrieren die polnischen Erntehelfer bereits mit noch günstigeren Arbeitern aus der Ukraine oder aus Aserbaidschan?
Am Ende können die Besucher selbst aktiv werden: Sie können ihre eigenen Vorstellungen und Auswandererträume zu Papier bringen und an eine Pinnwand stecken.
Begleitbuch
LWL-Industriemuseum (Hg.): Wanderarbeit. Mensch - Mobilität - Migration, Klartext Verlag , Essen 2013. ISBN 978-3-8375-0957-1, 160 Seiten, Preis 14,95 Euro.
Wanderarbeit. Mensch - Mobilität - Migration
13. August 2015 bis 3. April 2016
LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg
Geöffnet Di - So 10 - 18 Uhr
www.lwl-industriemuseum.de