Bochum (lwl). Förderwagen im Vorgarten, Schlägel und Eisen als Schlüsselanhänger und Ruhrpott-Schriftzüge auf T-Shirts - im Alltag finden sich viele Andenken an den Bergbau im Ruhrgebiet. Einige stehen nicht mehr für die Arbeit auf der Zeche, sondern markieren ein besonderes Lebensgefühl im Ruhrgebiet und die Verbundenheit mit der Region. Doch was steht hinter dieser Revierfolklore? Ist sie ein Ausdruck von Heimatstolz oder Folge einer Vermarktung der Erinnerung und Kommerzialisierung der Region? Das fragt eine neue Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) seit Freitag (23.3.) in zeigt.
Gezeigt werden über 250 Exponate: alte und neue Stücke aus Kohle und Kunststoff, Metall und Vinyl, Andenken und Objekte aus der Imagewerbung, dem Fußball, der Musik sowie der Ess- und Trinkkultur des Reviers. Das Spektrum reicht vom Wandteppich über Skulpturen bis zu kuriosen Objekten wie Plüschpantoffeln mit Förderturm, Bade-Enten in Kumpel-Kluft und einer Eieruhr mit Schlägel und Eisen, die das Steigerlied spielt. An Hörstationen können Besucher Musik über den Ruhrpott lauschen. Ergänzt wird die Schau durch Fotos von Förderwagen, die Museumsfotograf Martin Holtappels in einer Serie dokumentiert hat - 80 werden im Malakowturm der Zeche Hannover gezeigt, alle 600 sind auf einer interaktiven Karte im Internet zu sehen.
"Vor allem in der populären Kultur sind immer deutlichere Anzeichen einer Folklorisierung des Bergbaus und des Ruhrgebiets zu sehen. Einige sind Ergebnisse von gezielten Marketingstrategien, andere können eher als Ausdruck einer Identifizierung mit dem Ruhrgebiet verstanden werden", erklärte LWL-Museumsleiter und Kurator Dietmar Osses am Donnerstag (22.3.) bei der Vorstellung der Schau in Bochum. Symbole aus der Montanindustrie stünden heute nicht mehr für die aussterbende Branche des Bergbaus, sondern hätten sich vielmehr zu Zeichen für die gesamte Region und einer Identifikation mit dem neuen, gewandelten "Ruhrpott" entwickelt.
Die Themen der Ausstellung
Symbole aus dem Bergbau begegnen uns im Ruhrgebiet auf Schritt und Tritt. "Der Ruhrbergbau hat traditionelle Symbole wie Schlägel und Eisen aus alten Bergbaurevieren übernommen und teilweise neu gestaltet", so Historikerin Lisa Weißmann vom LWL-Industriemuseum, die die Ausstellung mitgestaltet hat. Obwohl die Zeiten des Steinkohlenbergbaus in den meisten Städten des Ruhrgebiets schon lange vorüber sind, pflegen Knappen- und Traditionsvereine bis heute die bergmännische Traditionen. Barbarafeiern und Knappenumzüge sind wichtige wiederkehrende Ereignisse des Vereinslebens. Ein Film-Feature gibt Einblick in diese Tradition.
Vom Kohlenpott zum Ruhrpott: Das Image des rußgeschwärzten Kohlenpotts prägte lange das Bild des Reviers. Städtewerbung und regionale Imagekampagnen setzten seit den 1980er Jahren Bilder von grünen und dynamischen Städten dagegen. Plakate und Imagebroschüren zeugen von den breit angelegten Kampagnen "Ein starkes Stück Deutschland" und "Der Pott kocht", mit denen der Kommunalverband Ruhrgebiet für ein neues, gemeinsames Image der Region warb.
Fußball und Ruhrgebiet gehören für viele Menschen einfach zusammen. Viele Fußballvereine im Ruhrgebiet berufen sich auf eine tiefe Verwurzelung im Arbeiter- und Bergbaumilieu. Dies spiegelt sich in der Fankultur des Reviers, aber auch im Marketing der Vereine wider, wie die ausgestellten Artikel - von der Knappenkarte bis zur Pöhlerkappe - zeigen. Bier und Currywurst gelten als typisch für das Ruhrgebiet. Mit der Entstehung der Großbrauereien in der Region entwickelte sich der Dreiklang von Kohle, Stahl und Bier im Revier. Heute werben die Brauereien im Ruhrgebiet mit ihrer Verbundenheit zur Region - dafür steht nicht zuletzt das Dortmunder "Bergmann Bier". Mit Flaschen, Werbeschildern und "Ruhrpott-Curry-Ketchup" setzt die Ausstellung die kulinarische Seite des Reviers in Szene.
Vom Schlager bis zum Gangsta-Rap: Die Musikszene des Ruhrgebiets bedient sich in ihren Liedtexten über alle Genres hinweg der gängigen Symbole und Klischees des Reviers. Die Schlagermusik der 1990er-Jahre und die Rapmusik des 21. Jahrhunderts haben dem Ruhrgebiet in Songtexten große Popularität beschert. Museumsleiter Osses: "Das Steigerlied nimmt heute oft die Bedeutung einer Hymne der Region ein - bei bergmännischen Feiern genauso wie in den Fußballstadien. In der Rap-Musik dreht sich dagegen alles um den Ruhrpott".
Ob Bergmann mit Mutterwitz, schrulliger Rentner oder prolliger Angeber mit dem Herz am rechten Fleck: Film und Comedy aus dem Ruhrgebiet greifen die Klischees und Stereotypen des typischen "Ruhris" auf, vertiefen und variieren sie. Der Nachwuchswettbewerb "Tegtmeiers Erben" entwickelt aus der Tradition der Ruhrgebietscomedy neue Formen und Formate. Die Siegertrophäe des Wettbewerbs, eine Tegtmeier-Mütze aus Bronze, ist in der Ausstellung ebenso zu sehen wie der Förderwagen des "Steigers" aus der Ruhrgebietscomedy "Geierabend".
Die Folklorisierung des Ruhrgebiets zeigt sich heute in einer Vielzahl von Andenken und Souvenirs. Ob Kaffeebecher, T-Shirt oder Pantoffeln - viele Objekte zeigen Symbole des Bergbaus und der Region. "Die Bandbreite reicht von der nostalgischen Verklärung des Bergbaus bis hin zur künstlerischen Bearbeitung der Skyline des neuen Ruhrgebiets als Ruhrpott mit Industriedenkmalen und Landmarken", erläutert Lisa Weißmann.
Glückauf Zukunft
Die Ausstellung "Revierfolklore" gehört zu einer Reihe von Ausstellungen, die das LWL-Industriemuseum 2018 unter dem Dach der Initiative "Glückauf Zukunft!" zum Ende des Steinkohlenbergbaus an seinen fünf Standorten im Ruhrgebiet präsentiert. "Wir greifen diese Zäsur in Ausstellungen unter ganz unterschiedlichen Blickwinkeln auf", erklärt Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums. Die bereits eröffnete Schau "RevierGestalten"' auf der Zeche Zollern in Dortmund richtet den Blick auf Orte und Menschen des Reviers und zeigt, wie sie den Strukturwandel mitgestaltet haben.
Frauen im Bergbau hat Dariusz Kantor in Oberschlesien fotografiert. Seine Bilder sind zur Zeit auf der Zeche Nachtigall zu sehen. Unter dem Titel "Laden und Löschen" präsentiert das Schiffshebewerk Henrichenburg ab dem 25. März auf dem Schleppkahn "Ostara" historische und aktuelle Fotos aus den Häfen im Ruhrgebiet. "Schließlich zeigen wir ab Oktober mit eindrucksvollen Luftbildaufnahmen des international renommierten Fotografen J. Henry Fair die Narben der Industrie, die Zerstörung der Natur durch die Suche nach Rohstoffen oder die Produktion von Industrie- und Massengütern", kündigt Zache an.