Gießen (pm/aw). Die Überreste der ehemaligen von den Nationalsozialisten zerstörten jüdischen Synagoge in der Südanlage, die während Bauarbeiten an der Kongresshalle gefunden und freigelegt wurden, können von interessierten Bürger/innen während einer öffentlichen Führung an zwei Tagen besichtigt werden. Stadtarchäologe Björn Keiner wird dabei Erläuterungen geben.
Die Führung findet am Sonntag, 12.03.2023 jeweils 11 Uhr und 13 Uhr statt. Treffpunkt: Haupteingang Kongresshalle. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Im Zuge der Vorbereitungen zur Erweiterung des Foyers der Gießener Kongresshalle war in den vergangenen Wochen ein Teil der Fundamente der ehemaligen „Neuen Synagoge“ der Israelitischen Religionsgemeinde durch Archäologen freigelegt worden. Der Fund gilt hinsichtlich des guten Erhaltungszustandes des Fundaments als überraschend. Die Synagoge ist dem Vernichtungswillen der Nationalsozialisten in der Pogromnacht am 10.11.1938 zum Opfer gefallen ist.
Bei den Bauarbeiten waren komplette Mauerzüge des Kellers ans Tageslicht gekommen. Im Schutt, der den Keller des Gebäudes völlig ausfüllte, konnten aufgrund der sorgfältigen Arbeit der Archäologen unter Leitung der Unteren Denkmalschutzbehörde noch Reste von Gebetbüchern und Ledereinfassungen in hebräischer Schrift geborgen werden. Diese Zeugnisse des einstigen blühenden jüdischen Lebens wurden geborgen und befinden sich derzeit in der Restaurationswerkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege in Wiesbaden.
Der Bereich ist im Alltag nicht für Besichtigungen geöffnet, die Fundstellen sind abgedeckt. Die Stadt bittet alle Interessierten darum, in Rücksicht auf die Funde nicht auf eigene Faust auf das Gelände zu gehen. Alle, die sich ein Bild von den Resten vor Ort machen möchten, sind daher eingeladen, an den Führungen teilzunehmen.
Wie mit den Funden umgegangen wird, wird nach der Vorlage eines Abschlussberichts des Landesamtes für Denkmalpflege zwischen Stadt und Landesamt entschieden.
Die Synagoge, die seinerzeit die größte in Gießen war, wurde im Zuge der nationalsozialistischen Pogrome am 10. November 1938 bis zu den Grundmauern zerstört. Sie war eines von zwei jüdischen Gotteshäusern. Auch die zweite Gießener Synagoge in der Steinstraße wurde 1938 in der Novembernacht von Nationalsozialisten niedergebrannt.
Die "Neue Synagoge" am Ort der heutigen Kongresshalle wurde zwischen 1865 und 1867 errichtet und auf Grund der angewachsenen Gemeinde 1892 erweitert. Sie war das größte jüdische Gotteshaus in Gießen und ein angesehener Ort jüdischen Kultur und Religion mitten in der Stadt.