Tschernobyl soll Touristen möglichst in Scharen anlocken

Autoscooter in Prypjat. Foto. Justin Stahlman/CC BY 2.0

Kiew (aw). Geht es nach dem neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dann könnte die Ruine des alten Atomkraftwerks zu einem echten Touristenmagnet werden. Bei der offiziellen Übergabe der neuen Schutzhülle über dem havarierten Reaktor sagte Selenskyj, man solle Tschernobyl der ganzen Welt zeigen - Wissenschaftlern, Ökologen, Historikern und vor allem Touristen. Touristen kommen jedes Jahr bereits zahlreich, 2018 buchten über 70.000 Menschen eine Tour in die Sperrzone, darunter fast 50.000 Ausländer. Dafür bedarf es auf jeden Fall spezielle Anmeldungen und Genehmigungen.

Nach der Ausstrahlung der amerikanisch-britischen Serie "Chernobyl", die weltweit positive Kritiken einheimste, steigerte sich die Anzahl der Katastrophen-Touristen deutlich. Für Aufsehen sorgten vor allem Instagrammer, die an dem Ort der schlimmsten Nuklearkatastrophe der Geschichte teilweise geschmacklose Selfies machten und diese teilten (wir berichteten).

Am 26. April 1986 havarierte der vierte Block des Atomkraftwerks während eines missglückten Experiments. Die Explosion des Reaktors und die daraus resultierenden radioaktiven Wolken verstrahlten große Gebiete im heutigen Weißrussland, in der Ukraine und Russland. Die Wolken mit dem radioaktiven Fallout verteilten sich dann über weite Teile Europas und schließlich über die gesamte nördliche Halbkugel. Rund 50.000 Menschen verloren in der angrenzenden Stadt Prypjat infolge des Reaktorunglücks ihre Heimat.

Nach der Havarie wurde über den zerstörten Reaktor eine erste Schutzhülle - der sogenannte "Sarkophag" errichtet. Dieser wurde jedoch aufgrund der extremen Strahlung schnell brüchig. 2010 begannen die Arbeiten an der neuen Schutzhülle ("New Safe Confinement"). Die Kosten für den Bau verschlangen rund zwei Milliarden Euro, finanziert von rund 40 Ländern. 2016 wurde die Schutzhülle über den Reaktor geschoben. Das federführende Baukonsortium übergab die neue Schutzhülle in die Verantwortung der Ukraine. Somit ist das Land neben der Instandhaltung und Nutzung auch für die Demontage des ersten Sarkophags verantwortlich. Im Inneren der Schutzhülle soll nun ein Kran die radioaktiven Trümmer demontieren. Die neue Konstruktion soll etwa 100 Jahre halten.